

Auseinandersetzungen zwischen Fußballanhängern und Sicherheitskräften sind im Spitzenfußball keine Seltenheit. In der DDR stand dieser Konflikt unter den Vorzeichen einer Diktatur. Die Open-Air-Ausstellung „Im Objektiv der Staatsmacht“ zeigt die visuelle und politische Geschichte der Kampfzonen rund um das Fußballfeld und taucht damit auch in die gesellschaftliche und politische Geschichte der ostdeutschen Republik ein. Am gestrigen Sonntag wurde die Ausstellung in Frankfurt/Oder eröffnet.
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Trotz der medaillenmäßigen Dominanz anderer Sportarten war der Fußball auch in der DDR Volkssport Nr. 1 und damit zwangsläufig im Fokus der Staatssicherheitsorgane. Nach den Vorstellungen des DDR-Oberen sollte das Verhalten der Zuschauer der sozialistischen Gesellschaftsordnung entsprechen. Wenig überraschend also, dass die in den Fernsehübertragungen beobachtete westdeutsche Fankultur als unerwünscht galt. Umso mehr, wenn sie in die eigenen Stadien überschwappte oder gar Transparente und Sprechchöre zu sehen und zu hören waren, die Staat, Partei oder Sicherheitsorgane „herabwürdigten“. So mussten Fußballanhänger, die sich an den fankulturellen Praktiken des Westens orientierten oder auch nur Sympathie mit Bundesligavereinen zeigten, befürchten, als „negativ-dekadent“ gebrandmarkt, aus der Masse herausgefiltert und strafrechtlich verfolgt zu werden. Hierzu gehörte auch eine erkennungsdienstliche Erfassung mit fotografischer Dokumentation.
Eine beeindruckende Sammlung von großformatigen und bislang unbekannten fotografischen Dokumenten zu diesem Thema hat das Zentrum deutsche Sportgeschichte Berlin-Brandenburg – gefördert von der Bundesstiftung Aufarbeitung und der DFB-Kulturstiftung – aus Anlass der EURO 2024 in der Ausstellung „Im Objektiv der Staatsmacht“ zusammengetragen. Nach vorherigen Stationen, u. a. in Leipzig, Potsdam, Cottbus und Köln, ist die Ausstellung seit dem 2. November vor dem Stasi-Unterlagen-Archiv in Frankfurt/Oder zu sehen. Gezeigt wird nicht nur, wie intensiv und mit welchen Mitteln die Fans rund um die Stadien der DDR-Oberliga offen und verdeckt observiert wurden, besonders bei brisanten Derbies und bei Europapokal-Begegnungen gegen westdeutsche Mannschaften. Auch die Bundesliga-Mannschaften selbst – wie etwa der FC Bayern München mit seinen Stars Franz Beckenbauer, Sepp Maier oder Gerd Müller, die 1973 und 1974 gegen Dynamo Dresden und den 1. FC Magdeburg spielten – gerieten ohne ihr Wissen in den Fokus der Stasi.
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Bei der Ausstellungseröffnung hoben unter anderem Frankfurts Bürgermeister Claus Junghanns und die Vize-Präsidentin des Bundesarchivs und Verantwortliche für die Leitung des Stasi-Unterlagen-Archivs Alexandra Titze die Bedeutung der Ausstellung hervor: Sie ermöglicht über den Fußball hinaus einen Blick in die Mechanismen des DDR-Überwachungsstaats und zeigt gleichzeitig den Wunsch nach Freiheit und Offenheit, der sich im emotionalen Raum des Stadions immer wieder Bahn bricht. Wie etwa in dem oft gehörten Sprechchor vor der Ausführung eines Freistoßes, der schließlich 1989 auf die Straßen und Plätze der DDR überschwappte: „Die Mauer muss weg!“.
Aus sehr unterschiedlicher persönlicher Perspektive erzählten Dirk Schlegel und Jens Fuge von ihrer Fußballbiografie in der DDR: Junioren-Nationalspieler Schlegel, der gemeinsam mit seinem Mannschaftskollegen vom BFC Dynamo Berlin Falko Götz ein Europapokalspiel in Belgrad 1983 zur Flucht in die Bundesrepublik nutzte. Fuge, der als jugendlicher Fußballfan von Chemie Leipzig unerlaubt kritisch-satirische Fanzines veröffentlichte – ein „Vergehen“ auf das immerhin eine Freiheitsstrafe von einem Jahr stand.
Was die Ausstellung auch zeigt: So unpolitisch sich der Sport über viele Jahre begriffen hat und noch bis heute begreift, so sehr wurde er nicht nur in der DDR, sondern auch anderswo oft genug zum Spielball der jeweils Mächtigen, zum Stellvertreterkrieg für regionale und internationale Konflikte oder zu einem Ort, in dem Minderheiten und Unterdrückte eine öffentliche und mediale Bühne für ihre Anliegen suchen. Dass am gleichen Tag der Ausstellungseröffnung in Frankfurt/Oder eine weitere Ausstellung des Zentrums deutsche Sportgeschichte – ebenfalls von der DFB-Kulturstiftung gefördert – in Telgte eröffnet wurde, die sich mit den Lebensläufen von im NS-Staat verfolgten deutsch-jüdischen Sportstars beschäftigt („Zwischen Erfolg und Verfolgung“), verdeutlicht, wie eng verstrickt Sport und Politik oft waren. Sich damit zu beschäftigen, lohnt sich – nicht nur für Fußballfans.
www.im-objektiv-der-staatsmacht.de
02. November – 30. Dezember vor dem Stasi-Unterlagen-Archiv Frankfurt/Oder, Fürstenwalder Poststraße 87, 15234 Frankfurt. Die Ausstellung ist ganztägig zugänglich. Der Eintritt ist frei.