Heute Abend findet die Verleihung der Sepp-Herberger-Awards in der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom in Berlin statt. Die Veranstaltung wird um 20.15 Uhr live auf #dabeiTV bei Magenta TV und auf DFB-TV übertragen. Zu Gast sind prominente Persönlichkeiten aus Sport, Politik und Gesellschaft. 14 Preisträger erhalten in sechs Kategorien Geldpreise in Gesamthöhe von 100.000 Euro. Platz eins in der Kategorie Fußball-Stiftung belegt die Manuel Neuer Kids Foundation. DFB-Redakteur Thomas Hackbarth im Gespräch mit Manuel Neuer.
Manuel Neuer, erstmal Glückwunsch! Die Manuel Neuer Kids Foundation wird in Berlin als beste Fußball-Stiftung des Jahres ausgezeichnet. Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung?
Vielen Dank! Diese Auszeichnung freut mich, weil sie einmal mehr Beweis dafür ist, dass wir Wichtiges und Richtiges tun. Ich sehe sie als Wertschätzung für mein Stiftungsteam und all diejenigen, die sich im Rahmen unseres Einsatzes für Kinder und Jugendliche mit viel Herzblut einbringen, bei einem oftmals herausfordernden Alltag in den MANUS-Häusern, insbesondere in den letzten drei Jahren.
Sie betreiben zwei Kinder- und Jugendhäuser, in Gelsenkirchen seit 2014, in Bottrop seit 2021. In beiden Städten ist Kinderarmut kein Sonderfall. Wie ist die Lage vor Ort, gerade auch jetzt mit den hohen Preisen?
Mit über fünf Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist das Ruhrgebiet der größte Ballungsraum Deutschlands. Laut Statistik leben 1,3 Millionen Menschen hier in Armut. In meiner Heimatstadt Gelsenkirchen ist sogar jede vierte Person von Bürgergeld abhängig. Das betrifft vor allem auch Kinder und Jugendliche, deren Familien staatliche Hilfe beziehen. Die Corona-Pandemie und die Energiekrise haben die Situation weiter verschärft: neben teilweise großen familiären Herausforderungen ist die finanzielle Situation nochmal stärker in den Fokus gerückt. Vor diesem Hintergrund sind unsere kostenfreien Ernährungs- und Bildungsangebote im MANUS natürlich besonders gefragt.
Beide Häuser arbeiten auf hohem Niveau. Sie sorgen dafür, dass man personell gut aufgestellt ist. Die Kinder und Jugendlichen werden vielfältig gefördert, von der Hausaufgabenhilfe bis zum Bandprojekt. Das Budget liegt pro Jahr bei rund 800.000 Euro. Was motiviert Sie, hier weit jenseits symbolischer Hilfe Engagement zu zeigen?
Ich persönlich bin in behüteten Verhältnissen aufgewachsen, wurde in meinen Interessen unterstützt und gefördert. Dies sollte jedem jungen Menschen möglich sein. Dafür setze ich mich ein. Wenn ich im MANUS zu Besuch bin und dort die positive Entwicklung unserer Kids verfolge – einige kenne ich seit vielen Jahren – macht mich das glücklich. Daraus schöpfe ich viel Kraft! Zudem unterstützen verlässliche Partner unsere Arbeit und ermöglichen uns dadurch weitere Angebote. Auch das gibt mir Motivation, dass wir andere für gesellschaftlichen Einsatz begeistern und mitnehmen können.
Wie sind Sie damals auf die Idee gekommen, ein Kinder- und Jugendhaus aufzumachen?
Die Idee reifte mit der Zeit. Zunächst wollte ich mit der Stiftungsgründung erst einmal selbst entscheiden, für was ich mich gesellschaftlich einsetze. Wir haben dann in der Anfangszeit einiges auf die Beine gestellt, bereits mit einer Ausrichtung auf Bildungsangebote, aber ohne übergeordnetes Konzept und auch ohne eigenen Ort. Als sich dann die Chance ergab, eine marode Stadtvilla gegenüber meiner alten Schule in Gelsenkirchen-Buer zu erwerben und zu einer zielgruppengerechten Einrichtung umzubauen, war für mich klar: Das ist der Weg. Das MANUS ist ein Ort, mit dem ich Persönliches verbinde, der einen sicheren Raum für Kids bietet und wo wir jungen Menschen vieles vermitteln können. In Kooperation mit Schulen bauen wir das MANUS gerade zu einem außerschulischen Lernort aus, was ein weiterer Fortschritt unserer Arbeit ist. Ein eigenes Kinder- und Jugendhaus ist also Ergebnis eines stetigen Entwicklungsprozesses und war nicht der Ausgangspunkt.
Besuchen auch Kinder geflüchteter ukrainischer Familien das MANUS? Und wie geht man insgesamt mit Sprachbarrieren um?
In den ersten Monaten nach Ausbruch des russischen Angriffs auf die Ukraine haben uns viele geflüchtete Kids aus der Ukraine aufgesucht. Die Situation war nicht ganz neu für unser MANUS-Team, nach den großen Fluchtbewegungen 2015/2016, vor allem aus Syrien und dem Irak. Wir haben uns im letzten Frühjahr so gut es ging aufgestellt, mit zweisprachigen Honorarkräften und zusätzlichen Angeboten am Vormittag, um einfach schnell und individuell Unterstützung bieten zu können.
Auf der Internetseite des MANUS steht, dass die Kinder aus den ärmeren Stadtteilen „entwicklungsbeeinträchtigenden Risiken“ ausgesetzt sind. Schöne Formulierung, das heißt wahrscheinlich Kriminalität und Drogen. Was berichten Ihnen Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Bei „entwicklungsbeeinträchtigenden Risiken“ meinen wir nicht Kriminalität und Drogen, sondern die Gefährdung sozialer und persönlicher Entwicklungschancen. Familien aus bildungsfernen sozio-ökonomischen Kreisen sehen teilweise keinen Mehrwert in der Bildung oder können diese nicht für sich und ihre Kinder fassen. Daher geht es um Werte, Normen, Ressourcen und generell die emotionale und kognitive Entwicklung der Kids.
Sie selbst sind als Kind des Ruhrgebiets aufgewachsen, haben Ihr Fachabitur an der Gesamtschule Berger Feld gemacht. Ihr Vater war Polizist und Sie selbst haben mal gesagt, dass es Ihnen in der Familie gut ging. Was haben Sie in puncto soziale Härten damals miterlebt?
Ich hatte eine gute und glückliche Kindheit in Gelsenkirchen und habe über den Fußball beim FC Schalke 04 früh einen Weg einschlagen können, der mir viel abverlangt und zugleich alles ermöglicht hat. Übrigens auch mein Fachabi. Neben dem Fußball habe ich vor allem in der Schule bei anderen mitbekommen, dass es nicht selbstverständlich ist, für die Pause etwas zu essen dabei zu haben. Wie oft habe ich mein Pausenbrot mit anderen geteilt, weil sie nichts zu essen hatten. Ich habe damals schon verstanden, dass ich ganz andere Chancen habe als andere aus meiner Klasse. Diese ungleichen Möglichkeiten, oder „sozialen Härten“, sind bei mir hängen geblieben.
Stimmt die Legende, wie Sie Torwart wurden? Dass Sie als Letzter aufs Feld gingen?
Als ich zu Schalke 04 gekommen bin, zu den Mini-Kickers, hatten die noch keinen Torwart. Der Trainer hat mich dann ins Tor geschickt, auch weil ich einer der letzten Spieler war, der dazugestoßen ist. Leicht war das nicht, weder für mich noch für meine Mutter. Wir haben damals meist auf Ascheplätzen gespielt. Da lief dann zuhause die Waschmaschine im Dauermodus (lacht).
Angeblich lag damals ein Teddybär in Ihrem Tor. Auch die Wahrheit?
Ja, das stimmt. Es war unser Maskottchen, ein kleiner Bär im Schalke-Outfit, der mir in der ersten Saison geholfen hat, das Tor sauber zu halten.
Eine Fußballfrage muss sein. Sie arbeiten fieberhaft an Ihrer Rückkehr nach dem offenen Schienbeinbruch am 9. Dezember. Wie ist aktuell der Stand und haben Sie schon ein Datum, wann Sie wieder trainieren wollen?
Grundsätzlich geht es mir gut. Ich bin im Aufbau, in der Reha-Phase und auf einem sehr guten Weg. Ein exaktes Datum für meine Rückkehr kann ich natürlich nicht nennen, doch bin ich sehr zuversichtlich, dass ich bald wieder meiner Leidenschaft nachgehen kann.