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27.1.2021

Kulturstiftung dokumentiert: "Auf den Spuren von Julius Hirsch"

Unter den sechs Millionen Juden, an deren Ermordung am heutigen 27. Januar, dem Gedenktag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 76 Jahren, gedacht wird, ist Julius Hirsch das bekannteste Opfer aus den Reihen des deutschen Fußballs. Die DFB-Kulturstiftung veröffentlicht nun eine historische Dokumentation der letzten drei Tage im Leben des Nationalspielers.      

Auf knapp 100 Seiten wird die Geschichte der Deportation von Julius Hirsch und über 1500 weiteren Jüdinnen und Juden vom 1. bis 3. März 1943 anhand von historischen Unterlagen und Zeitzeugenberichten umfassend und detailreich dokumentiert. Von den wenigen Überlebenden sind Berichte über den Weg nach Auschwitz und die Ankunft im Lager überliefert: Zeugnisse, wie sie Julius Hirsch aufgrund seiner vermutlich unmittelbaren Ermordung in Auschwitz nicht ablegen konnte. Die von den Historiker*innen Dr. Andreas Kahrs und Juliane Röleke recherchierten Dokumente erschließen im Spiegel der Biografien das Grauen der Deportation vom 1. bis 3. März 1943 im Kontext der sogenannten "Fabrikaktion", einer der letzten Maßnahmen des NS-Staates auf dem Weg zur vollständigen Auslöschung jüdischen Lebens in Deutschland.

Aus Anlass des "Erinnerungstags im deutschen Fußball" der Initiative "!NieWieder" veröffentlicht die DFB-Kulturstiftung die Dokumentation online auf DFB.de bereits vor ihrer für das Frühjahr vorgesehenen Drucklegung.

Ankunft im Lager, Ermordung ohne Stammbuch-Eintrag

Am 1. März 1943 findet sich der Karlsruher Kaufmann und Nationalspieler Julius Hirsch um 10 Uhr auf Anordnung der Gestapo am Karlsruher Hauptbahnhof ein. Zusammen mit sieben weiteren Jüdinnen und Juden steigt er in einen Zug, der sie, wie es offiziell heißt, "zum Arbeitseinsatz im Osten" bringen soll. Tatsächliches Ziel der Fahrt: das deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. "Es war ein strahlend schöner Tag", erinnert sich seine damals 15-jährige Tochter Esther, die ihn zum Bahnhof begleitet, viele Jahre später. "Noch heute kann ich nicht begreifen, dass an diesem Tag die Sonne scheinen konnte! Wir haben nicht geglaubt, dass wir ihn nicht mehr wiedersehen werden."

Drei Tage später, vermutlich unmittelbar nach seiner Ankunft an der alten Rampe südöstlich des im Ausbau befindlichen Lagers Auschwitz II in den frühen Morgenstunden des 4. März, wird Julius Hirsch ermordet. Kein namentlicher Eintrag im Lager-Stammbuch. Keine Nummer. Klare Indizien dafür, dass der 50-Jährige noch am Gleis, im Schneefall des Morgengrauens, als "arbeitsuntauglich" aussortiert wurde. Abgeführt zusammen mit hunderten weiteren Männern, Frauen und Kindern und vergast in einem der beiden zu provisorischen Gaskammern ausgebauten Bauernhäusern, dem "roten" oder dem "weißen" Haus. Hier wurden schon vor der Inbetriebnahme der berüchtigten Krematorien II bis V systematisch Menschen mit Giftgas getötet. Ermordet. Der Mann, der siebenmal das Trikot der deutschen Nationalmannschaft trug, der als erster Nationalspieler vier Treffer in einem Länderspiel erzielte und mit zwei Vereinen deutscher Meister wurde.

März 1943: Auf den Spuren der Deportation

Seit 2005 verleiht der DFB den Julius Hirsch Preis, zeichnet Menschen, Institutionen und Initiativen aus, die sich für eine vielfältige und offene Gesellschaft und gegen alle Formen von Diskriminierung einsetzen. Hirschs Lebensgeschichte gilt als vorbildlich erschlossen, vor allem Dank der umfangreichen Recherchen seines Biografen Werner Skrentny. Über seine Deportation ins besetzte Polen und die Ankunft im Lager jedoch hieß es bisher lediglich, mit der in Dortmund am 3. März 1943 abgestempelten Postkarte an seine Tochter Esther "verliert sich seine Spur".

Vor diesem Hintergrund begab sich im März 2018 - anlässlich des 75. Jahrestags der Ermordung von Julius Hirsch und auf Initiative der DFB-Kulturstiftung - eine Gruppe von 30 Fans, Fanprojektler*innen, Vereins- und Verbandsmitarbeiter*innen auf eine Gedenkstättenfahrt nach Oświęcim (Auschwitz). Fünf Tage setzten sich die Teilnehmer*innen mit den hier von den Nationalsozialisten verübten Verbrechen und den unterschiedlichen Biografien der Menschen auseinander, die zusammen mit Julius Hirsch und eingepfercht in stickigen und kalten Holzwaggons deportiert wurden. Die Ergebnisse des Workshops bildeten die Grundlage für die nun fertig gestellte Dokumentation.

"Diese Dokumentation", so Stiftungsgeschäftsführer Olliver Tietz, "ist ein zentraler Schritt zur Vervollständigung der Biografie von Julius Hirsch. Sie gibt seinem und dem Leiden vieler jüdischer Menschen aus ganz Deutschland einen Ausdruck, die zwischen dem 1. und 3. März 1943 deportiert und fast ausnahmslos ermordet wurden. Damit bietet sie auch Interessierten die Möglichkeit, über den Ansatz des Fußballs einen biografischen Einstieg in die Auseinandersetzung mit der Verfolgung und Ermordung der deutschen und europäischen Jüdinnen und Juden in der NS-Zeit zu finden."

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