Das Ziel, in der Frauen-Bundesliga Fußball zu spielen, hatte Wolter nie. Trotzdem ist sie heute fester Bestandteil der Bundesliga-Mannschaft von Eintracht Frankfurt. In den „Lese-Kicker“, der durch die DFB-Kulturstiftung und LitCam verliehene Preis für das beste Fußball-Kinder- und Jugendbuch des Jahres, ist Pia-Sophie Wolter dagegen nicht „reingerutscht“. Als Botschafterin und Jury-Mitglied kann sie Fußball mit einer weiteren Leidenschaft verbinden: Lesen. Gleichzeitig steht für sie außer Frage, durch Fußballbücher die Lesebegeisterung von Kindern wecken zu können.
Im Eselsohr, einer der führenden Fachzeitschriften für deutschsprachige Kinder- und Jugendliteratur, spricht Wolter mit Chefredakteurin Heike Nieder über den „Lese-Kicker“, die Bücher ihrer Kindheit und ihre Fußballkarriere.
Kurz vor der Fußball-Europameisterschaftder Frauen (2. bis 27. Juli) wurden die diesjährigen Lese-Kicker prämiert: Die Pausenkicker von Andreas Schlüter und Lena Oberdorf – Das große Fanbuch von Anna Dreher. Der Wettbewerb zeichnet alle zwei Jahre ein besonderes Kinder- sowie Jugendbuch zum Thema Fußball aus. Er ist ein Projekt der DFB-Kulturstiftung und LitCam (Literacy Campain), einer gemeinnützigen Gesellschaft, die sich für Integration und Bildungsgerechtigkeit einsetzt. Teil der Jury sind nicht nur 100 Schulklassen, sondern auch Pia-Sophie Wolter, Deutsche Fußball-Nationalspielerin von Eintracht Frankfurt. Wolter steht fürden EM-Kader auf Abruf bereit, falls eine Spielerin ausfällt. Ein Gespräch darüber, wie man mit Fußballbüchern Lesebegeisterung wecken kann, und über fußballspielende Mädchen in Kinderbüchern.
Frau Wolter, warum können insbesondere Fußballbücher Kinder zum Lesen animieren?
Viele Kinder mögen und begeistern sich für Fußball. Mein Zwillingsbruder zum Beispiel hat als Kind gar nicht gerne gelesen, es sei denn, es ging um Themen, die ihn interessiert haben, wie beispielsweise Fußball.
In diesem Jahr sind Sie gemeinsam mit Ihrem Vereinskollegen Timothy Chandler Botschafter des Lese-Kickers. Was macht man da so?
Wir versuchen,die Sichtbarkeit des Lese-Kickers zu verstärken, zum Beispiel über Interviews. Als Jurymitglied habe ich die nominierten Titel alle gelesen. Da musste ichdann am Ende in einer Excel-Tabelle eintragen, wie ich das jeweilige Buch fand. Und dann war ich im Mai bei der Preisverleihung anwesend.
Bei den nominierten Büchern waren auch einige biografische Titel dabei. Haben Sie sich in diesen Geschichten wiedererkannt?
Ja, zum Beispiel bei dem Buch Unsinkbar über den Hansa-Kids-Club von Hansa Rostock war sofort eine persönliche Verbindung da. Ich habe nach dem Abitur ein Freiwilliges Soziales Jahr im Kids-Club von Werder Bremen gemacht. Deshalb habe ich in dem Buch sehr viel wieder entdeckt. Genauso bei dem jetzt auch prämierten Titel über Lena Oberdorf. Ich habe mit ihr bei Wolfsburg lange zusammengespielt, auch in der Nationalmannschaft. Das war schon witzig, dieses Buch über sie zu lesen.
Haben Sie denn als Kind auch Fußballbücher gelesen?
Ja, ich habe immer viel gelesen. Ich hatte das Glück, dass unsere Eltern mir und meinem Bruder oft vorgelesen haben, vor allem vor dem Einschlafen. Ich kann mich auch noch gut daran erinnern, dass wir häufig in den Buchladen gegangen sind und uns da Bücher aussuchen durften.
Und für was haben Sie sich entschieden?
Ich bin mit den Teufelskickern und den Wilden Kerlen groß geworden, außerdem mit den Drei Ausrufezeichen und den Drei Fragezeichen. Die Hanni und Nanni-Bücher meiner Mama habe ich auch irgendwann gelesen, die lagen bei uns auf dem Dachboden.
Gab es denn in den Büchern eine Figur, mit der Sie sich identifiziert haben?
Auf jeden Fall mit Catrina von den Teufelskickern, einem Mädchen, das mit den Jungs in der Mannschaft spielt. Sie geht vorneweg, ist sehr gut in der Abwehr und gewinnt viele Kopfballduelle. So ein Mädchen gab es auch bei den Wilden Kerlen, sie hieß Vanessa. Ich war auch oft das einzige Mädchen in meiner Fußballmannschaft und konnte mich dadurch in die beiden gut hineinversetzen. Ich hatte das Glück, dass die Jungs, mit denen ich gespielt habe, es cool fanden, dass ich mitgespielt habe. Ich wurde immer anerkannt.
Hätten Sie sich ein Fußballbuch gewünscht, in dem eine reine Mädchenmannschaft im Mittelpunkt steht?
Das hat sicher in meiner Kindheit ein bisschen gefehlt, ja. Genau wie es irgendwann mit den Drei Ausrufezeichen die weiblichen Drei Fragezeichen gab,wäre ein Buch mit einer reinen Mädchenfußballmannschaft schön gewesen.
War es immer Ihr Traum, irgendwann in der Bundesliga zu spielen?
Ich bin da ein bisschen reingerutscht. Ich hatte nie das große Ziel, irgendwann Frauen-Bundesliga zu spielen, das war für mich immer sehr weit weg. 2007, da war ich zehn, hat mein Jugendverein Werder Bremen überhaupt erst angefangen mit dem Frauenfußball. Und dann habe ich mit 15 auf einmal in der 2. Frauen-Bundesliga gespielt. Aber selbst da war ich noch keine Profi-Fußballerin. Und ich hätte nie gedacht, dass ich irgendwann mit dem Fußballspielen so viel Geld verdienen werde, dass ich davon leben kann. Das kam erst mit meinem Wechsel nach Wolfsburg 2018.
Spielt Ihr Bruder auch professionell Fußball?
Nee, er ist zum Handball gewechselt. Er wollte nie in den Leistungssport rein und sagt auch jetzt, dass er auf das Profisportlerinnen-Leben, das ich führe, keine Lust hätte.
Haben Sie denn, wenn Sie unterwegs sind, immer ein Buch dabei?
Ja, ein E-Book. Wenn man so viel auf Reisen ist, dann ist das entspannter, weil es weniger Platz wegnimmt und leichter ist.
Interview: Heike Nieder / eselsohr