


Im kommenden Jahr feiert das deutsche Grundgesetz seinen 77. Geburtstag. Zu diesem Anlass findet am 23. Mai erstmals der „Ehrentag“ statt, den die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) im Auftrag des Bundespräsidenten ausrichtet. Im Interview sprechen Tobias Wrzesinski, Geschäftsführer der DFB-Stiftungen, und DSEE-Vorstand Jan Holze darüber, warum die DFB-Stiftungen gemeinsam mit der Stiftung der Nationalmannschaft diesen besonderen Tag unterstützen.
Tobias Wrzesinski, wie kam es zu der Kooperation zwischen den DFB-Stiftungen und der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt?
Tobias Wrzesinski: Mit der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt verbindet uns bereits seit ihrer Gründung ein gutes und vertrauensvolles Miteinander. Wir schätzen das Wirken der Stiftung sehr. Als der Ehrentag ausgerufen wurde, war für uns schnell klar, dass wir dabei sein werden. Ehrenamt und Fußball – das gehört untrennbar zusammen.
Jan Holze, wie sehen die Planungen für den Ehrenamt-Tag bisher aus?
Jan Holze: Der Ehrentag am 23. Mai, dem Tag unseres Grundgesetzes, soll für Menschen ein zentraler Tag zur Unterstützung und Sichtbarmachung des Ehrenamts werden. Menschen, die sich bisher noch nicht engagieren, stoßen vor Ort auf Vereine und mögliche Einsatzorte. Engagement soll erlebbar werden.
Wie läuft das konkret ab?
Holze: Derzeit laufen viele Gespräche mit Unterstützerinnen und Unterstützern. Wir sind sehr dankbar, dass die DFB-Stiftungen und die Stiftung der Nationalmannschaft uns bei einem solchen zentralen Vorhaben wie dem Ehrentag unterstützen. Im Dezember werden wir das Aktionsportal auf www.ehrentag.de aktivieren, um zentrale Fragen interessierter Netzwerke und Initiativen bei der Organisation von Mitmach-Aktionen zu klären. 2026 starten wir dann mit einer zentralen Kampagne, um auf den Ehrentag aufmerksam zu machen.
Wrzesinski: Wir unterstützen den Ehrentag finanziell und inhaltlich. Dabei liegen uns in den DFB-Stiftungen Egidius Braun und Sepp Herberger die Förderung von jungen Ehrenamtstalenten sowie Menschen, die sich im Inklusionskontext engagieren, besonders am Herzen. In der Stiftung der Nationalmannschaft aber auch die Förderung von ehrenamtlich Engagierten bei den Tafeln oder der Bahnhofsmissionen in Deutschland.
Warum ist es gut und wichtig, dass die DFB-Stiftungen und die Stiftung der Nationalmannschaft sich ebenfalls einbringen?
Holze: Wir wollen ein breites Bündnis aufstellen, so dass alle Bereiche des Engagements sichtbar werden. Der Sport und vor allem der Fußball spielt dabei eine ganz besonders wichtige Rolle, nicht zuletzt durch die vielen Aktionen in den Vereinen.
Wrzesinski: Der mediale Blick richtet sich auf 18 Bundesligaspiele pro Wochenende. Dabei werden bundesweit über 60.000 Spiele von ganz klein, bis ganz groß, von der Kreisklasse bis zur Bundesliga ausgetragen. Ermöglicht durch Ehrenamtliche, die pfeifen, fahren, backen, aufräumen oder den Platz abkreiden. Ohne Ehrenamt würde der Ball nicht rollen. Daher stellen wir uns mit Blick auf unser Stiftungswirken stets die Frage: Was können wir für den Fußball und die Menschen tun, die sich an der oft zitierten Basis engagieren?
Ist Ehrenamt in unserer Gesellschaft Ihrer Meinung nach sichtbar genug? Und wird es ausreichend gewürdigt?
Wrzesinski: Die Anerkennung von ehrenamtlichem Engagement ist richtig und wichtig. Es geht um Wertschätzung, um Aufmerksamkeit und darum, einfach danke zu sagen für das, was geleistet wird. Auf DFB-Ebene gibt es Formate wie den Club100, die Fußballhelden-Bildungsreise und vielfältige Aktivitäten in den 21 DFB-Landesverbänden. Ehrenamt gibt es aber wahrlich nicht nur im Fußball. Die Feuerwehr, deren Mitglieder in Schutzanzügen und mit Blaulicht angefahren kommen, macht das außerhalb der großen Städte im Ehrenamt. In Schulen gibt es Lesepaten, bei den Tafeln und in Kleiderkammern werden Bedürftige versorgt, in Hospizen und auf Palliativstationen gibt es Trauerbegleiter. Das Ehrenamt prägt unsere Gesellschaft an so vielen Stellen und hat gleichzeitig auch Herausforderungen. Ich finde, wir tun alle gut daran, die Dinge nicht als selbstverständlich zu nehmen. Wenn es kein Ehrenamt mehr gibt, kann man zwar die 112 wählen, aber es kommt dann keine Feuerwehr mehr. Es ist unerlässlich, Ehrenamt und Ehrenamtliche vorzustellen, dafür zu werben und das Engagement in jeder Weise wertzuschätzen. Man kann und muss sich nicht alles kaufen können. Auch deshalb ist der Ehrentag so wichtig.
Holze: Ich kann Tobias nur absolut zustimmen. Nicht nur wir in der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt arbeiten täglich daran, den vielen Millionen Engagierten in Deutschland Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit zu verschaffen. Auch die Ehrenamtlichen selbst wünschen sich mehr Sichtbarkeit und Anerkennung für Engagement. Hierzu wird der Ehrentag ebenfalls beitragen.
Die DFB-Stiftungen und die Stiftung der Nationalmannschaft engagieren sich aufgrund ihres Auftrags vor allem im Fußballkontext: Der Breitenfußball in Deutschland lebt – wie bereits angesprochen - zu großen Teilen vom Ehrenamt. Kann das ehrenamtliche Engagement dort eine Vorbildfunktion für andere Bereiche einnehmen?
Holze: Auf jeden Fall. Das Lernen voneinander ist uns wichtig. Das wollen wir auch noch stärker unterstützen. Herausforderungen, die im Fußball an vielen Stellen schon beackert oder gemeistert wurden, stehen anderen Strukturen im Sport und außerhalb noch bevor. Ich denke etwa an die Anerkennungskultur, den Umgang mit dem demografischen Wandel, junge Menschen, aber auch Frauen und Menschen mit Migrationsgeschichte in Engagements einzubeziehen und sichtbar zu machen.
Wrzesinski: Mit Blick auf eine Vorbildfunktion wäre ich etwas zurückhaltend. Ehrenamt ist immer individuell und an jeder Stelle bedeutungsvoll. Wir haben im Fußball das Glück, dass (noch) relativ viele Menschen engagiert sind. Sport ist Freude, Gemeinschaft, Spaß. Dementsprechend macht das Ehrenamt in diesem Bereich in der Regel große Freude. Das gilt nicht für jedes Ehrenamt. Persönlich habe ich beispielsweise größten Respekt davor, wenn sich Menschen ehrenamtlich im hospizlichen Kontext engagieren, beispielsweise Kindern und deren Familien in den letzten Lebenstagen beistehen.
In Deutschland engagieren sich ungefähr 30 Millionen Menschen ehrenamtlich. Wie wichtig ist das? Und warum könnten es gerne noch mehr sein?
Wrzesinski: Jedes Ehrenamt ist wichtig. Es ist doch großartig, wenn man nicht fragt, was man individuell davon hat, sondern es einfach macht und Freude daran hat, sich zu engagieren. Meine Erfahrung ist, dass einem das Ehrenamt viel mehr gibt, als es einem abverlangt. Schon deshalb würde ich all denen, die bisher noch nicht engagiert sind, empfehlen, sich zu engagieren. Manchmal traut man sich vielleicht aber auch nicht, weil man denkt, man wird nicht gebraucht oder die eigenen Talente sind nicht gefragt. Hier würde ich unbedingt raten, einfach ins Gespräch zu gehen, mitanzupacken. Jede und jeder wird gebraucht.
Holze: Unsere Gesellschaft baut auf dem freiwilligen, unentgeltlichen Engagement von ganz vielen. Tobias hat es bereits gesagt: Denken wir etwa an die Feuerwehr in Deutschland, die zu über 95 Prozent aus Ehrenamtlichen besteht; über eine Million Menschen in ganz Deutschland. Über acht Millionen sind es im Sport, wobei der Fußball den größten Anteil hat. So viel Liebgewonnenes und von vielen als selbstverständlich Betrachtetes könnte ohne Ehrenamtliche nicht mehr stattfinden. Diese Vielfalt im Ehrenamt, die unvorstellbar groß ist, lebt nur davon, dass sich auch immer wieder neue Menschen für ein Engagement entscheiden. Der Ehrentag soll helfen, neue Menschen für ein Engagement zu begeistern.
Viele stellen sich die Frage, warum sie sich ehrenamtlich engagieren wollen, wenn es dafür doch kein Geld gibt. Was antworten Sie?
Holze: Geld spielt im Ehrenamt, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Etwa zehn Prozent der Ehrenamtlichen profitieren von einer Aufwandsentschädigung, zum Beispiel der Ehrenamts- oder Übungsleiterpauschale. Motive für ein Engagement sind oft ganz andere, vor allem Spaß und Freude, die Möglichkeit, Wirkung zu entfalten, das Kennenlernen von spannenden Menschen sowie Geselligkeit insgesamt stehen im Vordergrund. Diese sollte man im Übrigen nicht belächeln, sondern als Verein prüfen, ob ein Engagement im Verein dies bieten kann, um auch attraktiv für Engagierte zu sein.
Wrzesinski: Trainerlegende Otto Rehhagel hat einmal gesagt „Geld schießt keine Tore“. Ich finde, das Zitat passt im übertragenen Sinne auch hier. Man muss nicht immer direkt fragen „Was bekomme ich dafür?“. Es gibt Dinge, die sind wichtiger als Geld. Beispielsweise der Blick auf Menschen, denen es nicht gut geht oder ein Kinderlachen, das einem ganz ohne Worte zeigt, dass es gut ist, was man macht.
Herr Holze, zum Schluss noch ein paar Worte zur Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt, die vielleicht noch gar nicht viele kennen. Was machen Sie konkret und wen unterstützen Sie?
Holze: Die Stiftung gibt es auch erst fünf Jahre. Sie wurde von der Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag gegründet, unterstützt und fördert Engagement und Ehrenamt, insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Räumen. Das tun wir mit einer ganzen Palette von Leistungen, die nicht nur auf finanzielle Förderung beschränkt sind. Wir bieten auch kostenlose Fortbildungen, Beratungen, Vernetzungsmöglichkeiten bis hin zu Fahrsicherheitstrainings und Erste-Hilfe-Kursen. Für jeden und jede Engagierte sollte sich etwas finden lassen, das zur Unterstützung des eigenen Engagements beiträgt.