Am vergangenen Mittwoch besuchten die Profifußballer Daniel Didavi und Sven Schipplock die jugendlichen Strafgefangenen aus dem Seehaus Leonberg. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Resozialisierungsinitiative „Anstoß für ein neues Leben“ der DFB-Stiftung Sepp Herberger statt. In einer Gesprächsrunde, die von Mentaltrainer David Kadel moderiert wurde, berichteten die Gäste aus ihrer Karriere und sprachen den Jugendlichen Mut für ihren zukünftigen Lebensweg zu. Zudem wurde der Seehaus e.V. mit der Sepp-Herberger-Urkunde ausgezeichnet.
„Ich habe auf meinem Weg als Profifußballer bereits viele schwierige Herausforderungen bewältigen müssen, beispielsweise konnte ich aufgrund einer schlimmen Knorpelverletzung im Knie lange Zeit kein Fußball spielen“, berichtete Didavi, der für den VfB Stuttgart und den VfL Wolfsburg bisher 184 Bundesliga-Spiele absolvierte. „Mir ist es wichtig, jeden Tag dankbar zu sein für die wirklich wichtigen Dinge im Leben, wie die eigene oder die Gesundheit der Familie“, so Didavi weiter, für den ein Besuch vor einigen Jahren im westafrikanischen Benin, dem Heimatland seines Vaters, eine lebensverändernde Erfahrung war. „Dort leben viele Kinder ohne Dach über dem Kopf und haben nicht ausreichend zu essen. Mir ist bewusst, dass ich in Deutschland ein sehr privilegiertes Leben führen darf. Das weiß ich seit dieser Reise ganz besonders zu schätzen“, sagte der derzeit vereinslose 32-jährige Mittelfeldspieler.
Sven Schipplock betonte die Wichtigkeit, sich selbst bewusst zu werden, was gut oder schlecht für eine Person sei. Er habe in der Vergangenheit auch Dinge gemacht, auf die er nicht stolz sei. „Auch aus dem Scheitern oder schwierigen Lebensphasen können wir viel lernen. Wichtig ist es, nicht die gleichen Fehler nochmal zu begehen“, meinte der Stürmer, der unter anderem für den VfB Stuttgart, den Hamburger SV und Arminia Bielefeld in der ersten und zweiten Bundesliga auf Torejagd ging. David Kadel, der seit vielen Jahren Fußballklubs und Profisportler als Mentaltrainer begleitet, erläuterte verschiedene Prinzipien, um ein erfolgreiches Leben zu führen. „Der Erfolg eures Neustarts nach der Inhaftierung hängt von eurer Entschlossenheit ab“, appellierte er an die Jugendlichen.
Nach der rund 90-minütigen Gesprächsrunde überreichte Nico Kempf, stellvertretender Geschäftsführer der DFB-Stiftung Sepp Herberger, gemeinsam mit Oliver Deutscher, der das gesellschaftliche Engagement im Württembergischen Fußballverband verantwortet, die Sepp-Herberger-Urkunde 2022 an den Seehaus e.V. Der Verein, der mit den Seehäusern in Leonberg und Leipzig zwei Einrichtungen im freien Strafvollzug betreibt, wurde damit für sein herausragendes Engagement für die Integration von straffälligen jungen Menschen ausgezeichnet. Die beiden Standorte geben Jugendstrafgefangenen die Chance, sich außerhalb von Gefängnismauern auf ein Leben ohne Straftaten vorzubereiten. Sie können beispielsweise innerhalb einer positiven Gruppenkultur und durch familienähnliches Zusammenleben angemessenes Sozialverhalten erlernen. Die Jugendlichen leben in mehreren Wohngemeinschaften mit Hauseltern und deren Kindern zusammen.
Seit dem Jahr 2019 nehmen die beiden Standorte des Seehaus e.V. an der Initiative „Anstoß für ein neues Leben“ der DFB-Stiftung Sepp Herberger teil. Über die Wahrnehmung von Angeboten aus den Säulen „Fußball“, „Arbeit/Beruf/Schule“ und „Soziales“ erhalten die Teilnehmenden vielseitige Impulse für ihre Persönlichkeitsentwicklung.
Im Rahmen der Resozialisierungsinitiative soll Mut und Motivation gestiftet werden für das Leben nach der Inhaftierung – dieser Auftrag wurde auch am vergangenen Mittwochabend im Seehaus Leonberg erfüllt. Ein Anstoß für ein neues Leben.