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18.9.2023

Clara Lösel: „Wir brauchen Selbstbewusstsein im Ehrenamt, in Vereinen und Gesellschaft“

Clara Lösel ist Autorin und Poetryslamerin, sie hält Vorträge und leitet Workshops an. Die 24-Jährige arbeitet insbesondere mit Mädchen und jungen Frauen. Bei den Fußball-Ferien-Freizeiten unserer Stiftung gab sie dem Selbstbewusstsein der Teilnehmerinnen mit Empowerment-Workshops weiteren Rückenwind. Von der Resonanz ist Lösel immer noch begeistert. Sport, sagt sie, habe eine unfassbare Anziehungskraft und öffne Türen, um jungen Menschen wichtige Kompetenzen zu vermitteln.

Frau Lösel, Sie haben im Sommer mit Empowerment-Workshops dem Selbstbewusstsein der Teilnehmerinnen von Fußball-Ferien-Freizeiten Rückenwind verliehen. Welchen Eindruck haben Sie von den jugendlichen Fußballerinnen mitgenommen?

Zu Beginn trifft man immer auf Mädels, die direkt aufgeschlossen sind, und andere, die einem eher skeptisch begegnen. Das ist bei Teenagern völlig normal (lacht). Am Ende freut man sich natürlich besonders, auch diejenigen erreicht zu haben, die zunächst zurückhaltend waren. Letztlich hat alles super funktioniert. Ich bin auf beeindruckend offene Ohren gestoßen und habe Mädels erlebt, die mit Begeisterung dabei waren. Selbst einige Wochen nach den Workshops erhalte ich immer noch viele positive Rückmeldungen. Mädels schreiben mir, dass sie sich jetzt trauen, alleine ins Kino zu gehen oder berichten von Hilfsbereitschaft und Mut zu guten Taten. Das freut mich total.

Sie richten sich mit den Workshops speziell an Mädchen und junge Frauen. Besteht in Sachen Selbstvertrauen ein Nachholbedarf gegenüber Jungen?

Dass Mädels tendenziell weniger an ihre eigenen Fähigkeiten glauben, ist wissenschaftlich belegt. Aber die acht Kompetenzen, die ich thematisiere - Selbstbewusstsein, Hilfsbereitschaft, Respekt, Achtsamkeit, Dankbarkeit, Zeitmanagement, Zielsetzung und Umgang mit Vergleichen und Ablehnung - spielen alle auch bei Jungs eine große Rolle. Es sind dann eben unterschiedliche Nuancen wichtig. Essstörungen, Körperbewusstsein und der Umgang mit Social Media spielen bei Mädels beispielsweise eine besondere Rolle. Ich glaube, ich finde einen guten Zugang zu den Teilnehmerinnen, weil sie sich mit mir identifizieren können. Ich bin ihnen sprachlich und altersmäßig noch recht nahe, aber doch schon erwachsen. Ich trete sicherlich professionell auf und habe in vielen Aspekten ein aus ihrer Sicht interessantes Leben, zeige mich aber auch verletzlich und nahbar. So entsteht ein Umfeld, das die Mädels als eine Art „Safespace“ empfinden. Sie trauen sich, offen zu sein. Mein Ansatz ist es ja auch nicht, einen langen Vortrag zu halten. Ich will das Zusammenspiel, die Interaktion. Zu den Workshops gehören Aktivitäten, wir üben Atemtechniken, schreiben Briefe, basteln an unseren Zielen.

Ihnen gegenüber saßen bei den Freizeiten ausschließlich junge Fußballerinnen. Öffnet der Sport in besonderem Maße die Chance, eine Botschaft, Überzeugung oder bestimmte Werte zu vermitteln?

Davon bin ich überzeugt. Sport hat eine unfassbare Anziehungskraft. So erreicht man junge Menschen und kann sie dann auf Themen aufmerksam machen, die ihnen vielleicht im ersten Moment nicht so nahe sind oder ihnen noch nicht begegnet sind. Letztlich ist es ja so, dass Selbstbewusstsein, Respekt, Ziele, Ablehnung und alle übrigen Kompetenzen, die ich anspreche, im Sport eine große Rolle spielen. Vieles lässt sich also integrieren und reicht dann in seiner Wirkung über den Sport hinaus.

Wie ist denn Ihr Verhältnis zum Fußball und zum Sport?

Ich liebe Sport. Ich war im Reitverein, im Turnverein, mache Fitnesstraining, gehe wandern und joggen und habe schon viele Sportarten betrieben. Sport ist wichtig für die körperliche und mentale Gesundheit. Aber ich komme nicht aus der Fußball-Welt. Daher habe ich bei den Fußball-Ferien-Freizeiten auch viel Neues erfahren. Und ich muss sagen, dass ich sehr beeindruckt vom großen Zusammenhalt war. Außerdem war es cool zu sehen, welch‘ enorme gesellschaftliche Bedeutung und Kraft der Fußball hat.

Sie sind Autorin und Poetryslamerin, können gut mit Sprache und der Situation auf einer Bühne umgehen. Braucht es für ein starkes Selbstbewusstsein eine besondere Gabe oder kann man all das erlernen?

Jeder kann Selbstbewusstsein lernen. Davon bin ich überzeugt. Es ist wie alles andere eine Übungssache. Wenn ich etwas öfter mache, werde ich besser. Das gilt für‘s Fußballspielen und für die Situation, vor vielen Leuten zu reden. Auch ich werde jedes Mal nach dem Gang auf die Bühne wieder etwas selbstbewusster. Wenn ich die Mädels in diese Richtung schubsen kann, ist das toll.

Welche Rolle können der Vereinssport oder ein Engagement als Schiedsrichterin oder Schiedsrichter spielen, wenn es darum geht, selbstbewusster zu werden?

Eine große Rolle. Sport stärkt das Selbstvertrauen und ein Engagement als Schiedsrichter mit Sicherheit in besonderem Maße. Bei den Freizeiten waren ja auch namhafte Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter zu Gast. Sie haben berichtet, dass es sie erst Überwindung gekostet hat, auf dem Platz zu stehen, aber dass es sie letztlich stärker gemacht hat. Eine Botschaft ist mir dabei ganz wichtig: Ich sage den Teilnehmerinnen immer: „Ihr seid nicht zu jung. Das könnt ihr streichen.“ Niemand ist zu jung, um zu hinterfragen, zu widersprechen, etwas zu bewegen. Wenn die junge Generation nicht den Mut hat, etwas zu tun, ist die Welt im Eimer. Wir erleben Krieg in Europa und die Herausforderungen des Klimawandels. Wir brauchen Selbstbewusstsein im Ehrenamt, in Vereinen und Gesellschaft, um etwas zu verändern. Wer heute jung ist, hält die Zukunft in der Hand und wird gebraucht. Junge Menschen müssen etwas bewegen.

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