Franziska Masch gehörte zu jenen 26 jungen, ehrenamtlich tätigen Menschen aus ganz Deutschland, die auf Einladung der Stiftung der Nationalmannschaft am „Berlin-Forum 2025“ teilnahmen. Im Gespräch berichtet die 20-jährige Meppenerin, die in den USA studiert, über ihre Eindrücke von dem fünftägigen Bildungs- und Begegnungsformat in der Bundeshauptstadt. Sie ist mehr denn je davon überzeugt, dass der Einsatz für Demokratie lohnenswert und notwendig ist.
Frau Masch, Sie haben vor der Teilnahme am Berlin-Forum der Stiftung der Nationalmannschaft betont, gerade der historische Kontext erinnere uns Deutsche daran, dass Demokratie aktives Engagement brauche. Haben Sie den besagten historischen Kontext in Berlin als besonders gegenwärtig wahrgenommen?
Ja, auf jeden Fall. Berlin ist ein besonderer Ort. Dort ist so viel passiert – wenn ich nur an den Reichstagsbrand oder den Mauerfall denke – und dort wird immer noch Geschichte geschrieben. Berlin ist Sitz der Bundesregierung, von Botschaften und NGOs. Das prägt diese Stadt.
Gab es einen Ort, der sie besonders beeindruckt hat?
Das war die Gedenkstätte Hohenschönhausen, das einstige Gefängnis der DDR-Staatssicherheit. Die dortige Führung hat ein ehemaliger Insasse geleitet. Das hat uns eine sehr persönliche Perspektive eröffnet. Er saß dort ein, als er ungefähr so alt war wie ich jetzt und hat uns seine Geschichte erzählt. Da kann man noch so viele Bücher lesen, Dokus schauen oder im Internet recherchieren, diese Schilderungen von einem Zeitzeugen zu hören, erreicht eine andere Ebene und geht emotional viel tiefer.
Stille als spannender Kontrast zum lebendigen Programm
Ging das den übrigen Teilnehmern ähnlich? Und wie haben sie das Erlebnis in der Gruppe besprochen?
Ich glaube, wir waren alle noch Stunden später mit dem Kopf in Hohenschönhausen. Der Besuch dort hat uns tief bewegt. Daher haben wir die Eindrücke dann auch in der Reflexionsrunde mit unserem Teamer besprochen, was uns allen gutgetan hat. Die Ernsthaftigkeit und Stille waren ein spannender Kontrast zum ansonsten sehr lebendigen Programm.
Sie sind 20 Jahre alt. Werden Sie in ihrem Umfeld häufiger mit der Frage konfrontiert, warum man als junger Mensch nicht einfach einen Schlussstrich ziehen und die Vergangenheit ruhen lassen kann?
In meinem Freundeskreis und beim Studium sind sich die Menschen der Relevanz der Geschichte bewusst. Aber in meinem ehrenamtlichen Engagement bei der Tafel bekomme ich diese Haltung häufiger mit. Ich denke, wer wenig Glück und viele alltägliche Herausforderungen zu meistern hat, sieht nicht unbedingt die Notwendigkeit, sich mit Geschichte zu beschäftigen. Da geht es dann um die Frage, ob man genug Geld für den Einkauf von Lebensmitteln oder die Anschaffung eines Schulranzens für das Kind hat. Das ist absolut nachvollziehbar, aber genau darin zeigt sich auch ein Problem: Wer tagtäglich mit existenziellen Sorgen kämpft, erlebt oft hautnah die Schwächen unseres heutigen Systems. Die Unzufriedenheit ist also weniger Ursache als vielmehr ein Symptom dieser strukturellen Ungleichheiten. Und gerade diese Erfahrung der Benachteiligung, des Übersehenwerdens kann Menschen empfänglich machen für rechte und rechtsextreme Narrative, die Schuldige und scheinbare Lösungen anbieten. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass man die Menschen abholen muss, wo sie sind. Man muss Verständnis für ihre Sorgen und Nöte haben und sie nicht mit erhobenem Zeigefinger belehren. Nur wer sich gehört und sicher fühlt, wird Vertrauen in unser System, unsere Demokratie haben.
Sichere Räume für den Austausch nötig
Demokratie ist also kein Selbstläufer?
Nein. Sie kann verlernt werden. Das hat man mit dem Ende der Weimarer Republik erlebt. Ich würde heute den wenigsten jungen Leuten unterstellen, dass sie Demokratie als Konzept grundsätzlich schlecht finden. Aber es fehlt vielleicht das Bewusstsein, dass man für den Erhalt etwas tun muss. Wir haben das Gespräch über Demokratie und Geschichte zu sehr ins Klassenzimmer verbannt. Es braucht andere sichere Räume, wo unterschiedliche Meinungen akzeptiert und ausgetauscht werden.
Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck hat Sie beim Zusammentreffen in Berlin ermuntert, Ihre Freunde mit Ihrem Engagement für die Demokratie und Gesellschaft anzustecken. Wie kann das gelingen?
Viele junge Leute engagieren sich bereits. Aber wir müssen noch stärker daran arbeiten, dieses Engagement mit demokratischer Bildung zu verknüpfen, also auch zu zeigen, wie Ehrenamt Demokratie stärkt und mitträgt. Gleichzeitig brauchen wir attraktivere und nachhaltigere Rahmenbedingungen. Es braucht Strukturen im Ehrenamt, die dafür sorgen, dass sich niemand alleine gelassen oder überfordert fühlt. Es geht darum, Spaß am Engagement zu haben, schließlich erwirbt man Skills, von denen man auch später profitiert.
Und welche Rolle kann der Sport dabei spielen?
Sport ist dabei ein wichtiges Betätigungsfeld. Dort kommen Menschen mit ganz unterschiedlichem Hintergrund zusammen und verfolgen ein gemeinsames Ziel. Sport packt junge Leute und kann sie auch zurückholen, wenn sie sich von den demokratischen Idealen entfernt haben. Sport kann zwar nicht alles leisten – da gehören Schule, Arbeitswelt und viele andere Bereiche dazu – aber ich sehe den Sport und das Vereinsleben als ein wichtiges Puzzlestück für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Begegnungen auf Augenhöge
Mit Fußball-Weltmeister und dem heutigen DFB-Sportdirektor Rudi Völler, Joachim Gauck und Bundestagspräsidentin Julia Klöckner haben Sie namhafte Persönlichkeiten getroffen, wie waren diese Momente?
Das Treffen mit Rudi Völler war ja auch noch eine Überraschung für uns. Man hat gemerkt, dass viele Teilnehmende sehr aufgeregt waren. Für mich war es auf jeden Fall ein besonderer Moment, einem Fußball-Weltmeister so unerwartet zu begegnen. Besonders eindrücklich waren aber die Gespräche mit Joachim Gauck und Albrecht von Lucke. Auch wenn uns einige Lebensjahre trennen, waren es Begegnungen auf Augenhöhe. Es war motivierend, wahrgenommen und ernst genommen zu werden.
Sie haben sich beim Besuch der WELT-Redaktion auch mit der Rolle der Medien in der Demokratie beschäftigt. Welche neuen Eindrücke haben Sie mitgenommen?
Ich fand schon das Gebäude beeindruckend: modern, offen - man hat gemerkt, dies ist ein Ort, an dem viel passiert. Besonders positiv überrascht hat mich, wie viele junge Leute dort arbeiten. Es könnten aber ruhig noch mehr sein. Denn junge Perspektiven sind enorm wichtig für einen ausgewogenen Diskurs. Da ich selbst im Jugendjournalismus aktiv bin und bereits in verschiedenen Formaten journalistisch gearbeitet habe, war es für mich besonders spannend, einen Einblick in eine professionelle Redaktion zu bekommen. Spannend war auch der direkte Übergang vom Medienhaus in den Bundestag. Wir haben also in kurzer Zeit beide Seiten erlebt: die Politik und die Medien, die darüber berichten. Das hat mir nochmal vor Augen geführt, wie eng beides miteinander verbunden ist und welch große Verantwortung Journalistinnen und Journalisten für die politische Meinungsbildung tragen. Ein tiefes Bewusstsein für diese Rolle halte ich für sehr wichtig – gerade in Zeiten, in denen Vertrauen in Medien keine Selbstverständlichkeit mehr ist.
Welche weiteren Schlüsse hat das Berlin-Forum bei Ihnen hinterlassen?
Diese Tage waren definitiv besonders. Dafür haben das Programm und die Menschen gesorgt. Mich hat die Zeit dort in der Erkenntnis bestärkt, in meinem Engagement nicht alleine zu sein. Der Austausch hilft, bestärkt in die Alltagsarbeit zu gehen, die durch Populismus und Anfeindungen manchmal schwierig sein kann. Gerade weil das wirklich wichtige Engagement oft im Hintergrund passiert – da schüttelt dir niemand die Hand oder sagt dir ständig, dass du einen guten Job machst. Events wie das Berlin-Forum sind deshalb besondere Highlights. Sie geben neue Motivation und zeigen, dass diese Arbeit gesehen wird. Ich habe es als Bereicherung empfunden, mich sehr offen mit Menschen auszutauschen, die aus unterschiedlichen politischen Lagern kommen. Manche sind eher konservativ, manche progressiv und grün, andere sehr religiös. Das Forum war ein Ort, um kontrovers und sehr ehrlich zu diskutieren, es herrschte nie Stillstand. Wir sind auseinandergegangen mit dem Wissen, dass im Ringen um den Erhalt der Demokratie ein langer Weg vor uns liegt, wir aber schon viel geschafft haben und nicht allein sind.