


Das erste Trauerwochenende der DFB-Stiftung Egidius Braun und der Trauerbegleitung grievy aus Köln ermöglichte Menschen, die enge Angehörige verloren haben, Austausch, Ablenkung und eine Auszeit von einem schwierigen Alltag.
Die Tage auf dem DFB-Campus in Frankfurt am Main, sagt Moritz, seien schlicht ein großes Geschenk. Workshops zu besuchen, sich auszutauschen und Sport zu treiben, habe gutgetan und Mut gemacht. „Ein riesiges Dankeschön an alle, die das möglich gemacht haben“, sagt er. Der 35-Jährige und seine fünfjährige Tochter gehörten zu jenen rund 70 Menschen, die am ersten Trauerwochenende der DFB-Stiftung Egidius Braun und der Trauerbegleitung grievy aus Köln teilnahmen. Sie alle eint der Verlust eines geliebten engen Angehörigen, der tiefe Schmerz und die gewaltige Herausforderung, das Erlebte zu verarbeiten und weiterzumachen.
Moritz und seine Frau haben vor sechs Jahren ihre erst wenige Wochen alte erste Tochter aufgrund einer Erkrankung verloren. „Mit der Trauer schließt man nie ab, sie bleibt für immer dein Begleiter“, erklärt er. Doch sie bleibe nicht gleich. „Ich habe unfassbar viele Tränen vergossen, aber die Zeit macht den Rucksack etwas leichter, den man mit sich trägt“, hat der Frankfurter für sich in den vergangenen Jahren erfahren. Bei anderen Teilnehmende liegt der Tod von Kindern, Geschwistern oder Eltern erst wenige Monate zurück. Sie stünden damit an einem anderen Punkt der Trauer, meint Moritz und erzählt, dass er die Hoffnung habe, diesen ein wenig Mut für den weiteren Weg zu machen.
Familien eint ein gemeinsames Schicksal
Conny, ihr Mann und ihr zehnjähriger Sohn Max zählen dazu. Der Tag, der ihnen den Boden unter den Füßen wegzog und ihr Leben für immer veränderte, ereignete sich erst im April diesen Jahres. Max‘ Zwillingsbruder ertrank in einem Bach unweit des elterlichen Zuhauses. Dabei hatte er nach einer langen Erkrankung erst gerade wieder in den gewohnten Alltag zurückgefunden, sagt die 45-Jährige mit fester Stimme. Es gelinge ihr nicht immer, über die Geschehnisse zu sprechen, ohne von Schmerz und Emotion übermannt zu werden. Manchmal, erklärt sie, sind es kleine Details und Erinnerungen, die sie aus der Bahn werfen. „Aber hier schaffe ich es, mit anderen darüber zu sprechen, weil alle ein ähnliches Schicksal teilen, eine ganz tolle Atmosphäre herrscht und man sich sauwohl fühlt“, betont sie.
Solch positive Worte über die eigenen Gefühle habe sie sich lange nicht getraut, in den Mund zu nehmen. Wenn sie für Momente fröhlich war, habe sie ein schlechtes Gewissen beschlichen, weil es sich falsch anfühlte. „Mittlerweile traue ich mich wieder, das Radio im Auto laut zu drehen, wenn ich den Song mag“, berichtet sie.

Yasmina Elsner: „Es gibt beim Trauern kein richtig oder falsch.“
Yasmina Elsner bestärkt die Teilnehmenden, den eigenen und den vermeintlichen Erwartungen anderer an Trauer zu trotzen. „Es gibt beim Trauern kein richtig oder falsch. Jeder hat seine eigene Art, mit dem Schmerz umzugehen und jeder muss seinen Weg finden“, betont die 36-Jährige, die am Wochenende auf dem Campus als eine von sechs Trauerbegleitern dabei war. Oftmals beobachte sie eine Rollenverteilung im Alltag betroffener Familien. So kümmerten sich Männer häufig um das Praktische, „sie schauen, dass der Kühlschrank gefüllt ist und alles funktioniert, aber sie fragen deutlich seltener als Frauen, wie es der Tochter, dem Sohn oder der Partnerin eigentlich geht“.
Das Wochenende in Frankfurt trug dazu bei, Momente jenseits des Alltags zu schaffen, um gewohnte Muster zu verlassen, sich zu öffnen und auszutauschen. „Bewegung löst das Ventil“, hat Elsner beobachtet. Daher seien der Fußball, die Spiele und die Aktivitäten in der großen Halle des Campus‘ ideal, um gedankliche Prozesse anzustoßen und in der Bewältigung des Verlustes weiterzukommen. Die neue Umgebung, das Zusammenkommen mit zuvor fremden Menschen und der ungewohnte Kontext hält sie für geeignete Impulse. Hinzu komme der Umstand, sich mal um nichts kümmern zu müssen. „Trauernden fehlt es eigentlich immer an Energie, an Kraft und Schlaf. Dennoch muss im Alltag so vieles geregelt werden. Das ist hier mal anders“, sagt Elsner.

Der Fußball gibt Halt und Kraft
Moritz kann das bestätigen. Er sei mit der Hoffnung gekommen, durch den Fußball eine lockere Atmosphäre und neue Impulse zu erleben und genau das habe funktioniert. Man habe von weiteren Unterstützungsangeboten erfahren und gespürt, nicht allein zu sein. „Uns alle verbindet das Thema Trauer. Hinzu kommt der Rahmen hier, der es sehr viel leichter macht, sich mit seiner Situation und der seiner Familie zu beschäftigen. Wir sind in gewisser Weise verwöhnt worden, konnten uns gehen lassen und mussten mal nichts regeln“, betont er.
Grievy-Gründerin Dr. Nele Stadtbäumer sieht ihre Erwartung erfüllt. „Die Familien können sich gegenseitig ganz viel Kraft geben. Gleichzeitig wollen wir den Kindern und Jugendlichen Wege aufzeigen, wie ihr Leben ohne das verstorbene Elternteil oder das Geschwisterkind weitergehen kann“, erklärt sie die Ambition der Initiatoren.
Für Conny und ihre Familie wird der Fußball weiterhin eines der wichtigsten Werkzeuge bleiben, um den Alltag zu meistern und allmählich wieder im Leben Tritt zu fassen. „Ich weiß nicht, wo wir ohne den Fußballverein stehen würden“, sagt sie. Wochenlang habe sie nach Tod des Sohnes einfach nur funktioniert. Heute sei die Gemeinschaft im Verein, in dem sie auch ehrenamtlich aktiv ist, enorm wichtig. Sie bedeute Unterstützung im Alltag und Ablenkung – gerade jetzt, wenn die Tage dunkler würden und das Gedankenkarussell sich früher zu drehen beginne. Ihrem Sohn, der seinen Zwillingsbruder verloren habe, bedeute der Fußball ohnehin so viel. „Er gibt ihm Kraft und Halt“, ist Conny überzeugt. Am ersten Abend des Trauerwochenendes in Frankfurt habe ein Satz des Sohnes ihr daher Herz aufgehen lassen. „Er hat gesagt, Mama, das war heute ein richtig toller Tag.“