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30.7.2022

"Nicht mit uns!": Zeitzeuge Frankenstein im Austausch mit Nachwuchskickern

Beim internationalen Walther-Bensemann-Gedächtnisturnier, welches an diesem Wochenende in Nürnberg stattfindet, steht nicht nur hochklassiger Fußball auf dem Programm. Die teilnehmenden Nachwuchstalente, ebenso wie ihre Betreuer*innen und Zuschauer*innen des Turniers, nehmen außerdem am Bensemann-Campus teil, welcher Bildungsangebote verschiedenster Art bietet.

Neben einer Führung durch die Redaktion des kicker, der von Bensemann 1920 gegründet wurde, und verschiedenen weiteren Vorträgen und Workshops stehen dabei die Zeitzeug*innengespräche im Fokus der Teilnehmenden. Mit Tamar Dreifuß, Shaul Paul Ladany, Zvi Cohen, Eva Szepesi, Walter Frankenstein und Ernst Grube berichten gleich sechs Überlebende der Shoa, teils digital zugeschaltet, den Anwesenden von ihrer persönlichen Lebensgeschichte.

Der 98-jährige Walter Frankenstein nahm per Videokonferenz aus seiner Heimatstadt in Stockholm am Austausch mit den interessierten Nachwuchskickern teil. Im Gespräch mit Lukas Keuser aus dem Team Fanbelange des DFB schilderte er seine Erfahrungen als verfolgter Jude. So musste er im Alter von zwölf Jahren seine Schule verlassen und wurde von seinem Onkel in ein Berliner Waisenhaus gebracht. Von dort musste er 1938 ansehen wie in der Reichspogromnacht jüdische Geschäfte und Synagogen durch die Nationalsozialisten geplündert und in Brand gesetzt wurden.

Durch glückliche Umstände von Konzentrationslager verschont

Walter Frankenstein selbst wurde zur Zwangsarbeit gezwungen und entkam einer Deportation in ein Konzentrationslager nur durch glückliche Umstände. Als er eines Morgens 1943 seinen Arbeitsdienst antreten wollte, erfuhr er, dass alle jüdischen Arbeitskollegen deportiert worden waren. Nur ihn selbst hatte dieses Schicksal nicht ereilt, da er kürzlich umgezogen war. Durch die Nachricht alarmiert, eilte er zu seiner Frau Leonie und seinem sechs Wochen alten Sohn Uri. Getreu seinem Motto "Nicht mit uns!" begab er sich mit seiner Familie in den Untergrund. Insgesamt 25 Monate versteckten sich die Frankensteins vor den Nationalsozialisten und erfuhren dabei auch Unterstützung von christlichen Freunden, die ihnen Unterschlupf gewährten. In dieser Zeit wurde 1944 auch Michael, der zweite Sohn der Frankensteins geboren. Nach der Befreiung Berlins durch die Rote Armee emigrierte die Familie Frankenstein zunächst nach Palästina, ehe sie in Stockholm eine neue Heimat fand.

Den interessierten Nachwuchstalenten berichtete Walter Frankenstein auch von seiner Passion für den Fußball. Sein erstes Spiel sah er 1936 im Olympiastadion, da sein Onkel Tickets für ein Heimspiel der Hertha aus Berlin besorgt hatte. Obwohl es zum damaligen Zeitpunkt für Menschen jüdischen Glaubens bereits verboten war, solche Veranstaltungen zu besuchen, gelangten die beiden ins Stadion und waren fasziniert vom Spiel der Hertha. Seitdem ist Walter Frankenstein nunmehr über 85 Jahre lang Fan von Hertha BSC und erzählte stolz von seiner Ehrenmitgliedschaft.  An die jungen Fußballer richtete der Zeitzeuge den Apell trotz sportlicher Konkurrenz fair, respektvoll und freundschaftlich miteinander umzugehen: "Fußball ist Sport. Sport ist Freude und Freundschaft!"

"Demokratie muss jeden Tag neu erkämpft werden"

Besonders beeindruckt waren die Teilnehmenden des digitalen Zeitzeugengesprächs, als Walter Frankenstein ein kleines Kästchen hervorholte und vorsichtig öffnete. Darin aufbewahrt werden zwei wichtige Dokumente seiner Lebensgeschichte: der Judenstern, welcher ihn zeichnete und den er ablegte als er untertauchte, sowie das Bundesverdienstkreuz, welches ihm von der Bundesrepublik Deutschland verliehen wurde. Mit beeindruckenden Worten mahnte der Holocaustüberlebende aus der Geschichte zu lernen und sich gegen Antisemitismus, Rassismus und Menschenhass zu stellen: "Demokratie muss jeden Tag neu erkämpft werden, besonders in der jetzigen Zeit."

Für alle Teilnehmenden war der Austausch mit Walter Frankenstein ein besonderes Erlebnis. So berichteten die anwesenden Juniorenkicker, dass sie bislang nur aus Schulbüchern und Dokumentationen von der Grausamkeit des Holocausts erfahren hatten. Dementsprechend waren sie umso beeindruckter die Möglichkeit nutzen zu dürfen mit einem Zeitzeugen in den direkten Austausch zu treten.

[lk]

Von Grünberg aus stand ein Besuch auf dem DFB-Campus in Frankfurt auf dem Plan. Foto: DFB/Nico Florow
Eine zusätzliche Freizeit für Kinder nach onkologischer Erkrankung fand in Malente statt. Foto: DFB-Stiftung Egidius Braun
Der fußballbegeisterte SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf besuchte die Fußball-Ferien-Freizeit in Malente. Foto: Martin Ziemer/Getty Images
Der ehemalige Trainer von RB Leipzig Marco Rose war für einen Wertedialog in Leipzig zu Gast. Foto: Jens Schlüter/Getty Images
Ein Besuch im Bundesverfassungsgericht stand bei der Freizeit in Schöneck (Karlsruhe) auf dem Programm. Foto: DFB-Stiftung Egidius Braun/Klaus Venus
U19-Nationaltrainer Hanno Balitsch leitete eine Trainingseinheit in Edenkoben. Foto: DFB-Stiftung Egidius Braun/Klaus Venus
FIFA-Schiedsrichter Harm Osmers gab in Malente Einblicke in das Leben eines Profi-Schiedsrichters. Foto: DFB-Stiftung Egidius Braun
Neben verschiedenen Ausflügen und Bildungsaktivitäten stand natürlich der Fußball im Mittelpunkt der Freizeiten. Foto: DFB-Stiftung Egidius Braun/Klaus Venus
Von Hennef aus ging es für eine Führung nach Leverkusen in die BayArena – inklusive Gespräch mit dem Geschäftsführer Simon Rolfes. Foto: DFB-Stiftung Egidius Braun/Carsten Kobow
Insgesamt 1.000 Teilnehmende waren bei den Fußball-Ferien-Freizeiten 2025 dabei. Foto: Klaus Venus/DFB-Stiftung Egidius Braun
Verschiedene Workshops zum Thema Demokratie standen auf dem Programm der Freizeitwochen. Foto: DFB-Stiftung Egidius Braun/Carsten Kobow
Der ehemalige Ministerpräsident Volker Bouffier tauschte sich in einem Wertedialog mit den Teilnehmenden einer Freizeit in Grünberg aus. Foto: DFB-Stiftung Egidius Braun/Carsten Kobow
DFB-Präsident Bernd Neuendorf besucht die Fußball-Ferien-Freizeiten in Hennef. Foto: DFB-Stiftung Egidius Braun/Carsten Kobow
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