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8.5.2025

Der DFB, seine Funktionäre und der Nationalsozialismus

Heute vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg mit der Kapitulation Deutschlands. Der 8. Mai 1945 ist für die Welt ein Tag der Befreiung, genauso für Deutschland. Die grausamen Verbrechen, die von Nazi-Deutschland verübt wurden, dürfen nie vergessen werden. Im Rahmen eines laufenden Forschungsprojekts arbeitet Dr. Pascal Trees, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, im Auftrag der DFB-Kulturstiftung die Rolle der Funktionäre des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) während und nach der NS-Zeit auf. Für das DFB-Journal zum Jubiläum 125 Jahre DFB im Januar 2025 hat er ein beschämendes Kapitel der Verbandshistorie skizziert.

Im Juli 1946 hoffte Georg Xandry, sein Leben nach dem überstandenen Zweiten Weltkrieg wieder in geordnete Bahnen zu lenken: Noch im Oktober 1944 war er, damals schon 54 Jahre alt, als Oberleutnant der Reserve zu einem Infanterie-Ersatz- und Ausbildungs-Bataillon in Spandau einberufen worden. Dem Untergang des "Dritten Reiches" in Berlin entging er dennoch und gelangte mit Ehefrau Johanna zurück in seine hessische Heimatstadt Neu-Isenburg.

Eine Stellungnahme wie viele andere

Seinen früheren Broterwerb konnte Xandry nicht einfach wieder aufnehmen: Sein letzter ziviler Arbeitgeber, das Fachamt Fußball im Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen in Berlin, existierte nicht mehr, und überdies hatte er dort als Geschäftsführer einen hohen Funktionärsposten bekleidet. Damit aber konnte er 1945 in Deutschland keine wichtige Stellung mehr bekleiden, ohne dass die von den Alliierten eingesetzten Entnazifizierungsbehörden dies genehmigten.

Xandry musste also versuchen, diesen sein Verhalten im NS-Regime plausibel zu machen: "Ich möchte mich nicht nach bekannten Mustern aus der Mitgliedschaft zur Partei herausreden, bedauere sie vielmehr aufrichtig. […] Der Anlass zum Eintritt in die NSDAP ergab sich für mich aus der Tatsache, dass in der Führung des damaligen Deutschen Fußballbundes (DFB) als politisch und konfessionell neutralem Verbande im Jahre 1933 niemand tätig war, der irgendeine Verbindung zur NSDAP gehabt hätte. Ich wurde als alleiniger hauptamtlicher Geschäftsführer zwar nicht gezwungen, wie so Viele es jetzt sagen, aber doch veranlasst, durch den Beitritt zur NSDAP eine bessere Plattform für bevorstehende und zukünftige Verhandlungen herzustellen."

Im Fachamt Fußball hätten "Übertreibungen und Unsinnigkeiten ausgeschaltet" werden können, "die bei den anderen NS-Organisationen gang und gebe" gewesen seien. Insbesondere habe "der berüchtigte Arierparagraph nicht die sonst übliche uneingeschränkte Anwendung" gefunden, und "fünfzigprozentige 'Nichtarier'" hätten "sportlich und wettkampfmäßig tätig sein können."

Xandrys Stellungnahme zur eigenen Rolle im NS-Staat unterschied sich kaum von vielen anderen, die in diesen Jahren formuliert wurden: Ein Eingeständnis des Unleugbaren, flankiert von formal Korrektem, das durch Erinnerungslücken gebrochen und mit Halb- und Unwahrheiten durchsetzt ist, die gegen alle Evidenz innere Distanz und kalkulierte Unbotmäßigkeit – wenn nicht Widerstand – gegen die Diktatur belegen sollten.

Dieser Wunsch, möglichst großen Abstand zwischen sich und die Entscheidungsträger des NS-Regimes zu bringen, war erklärlich: Seitdem alliierte Soldaten bei ihrem Vordringen nach Deutschland Vernichtungsstätten und Konzentrationslager in Auschwitz, Bergen-Belsen, Buchenwald und Dachau befreit hatten, stand vor aller Augen, dass während des Krieges inmitten der deutschen Gesellschaft ein organisierter Massenmord verübt worden war.

Die Haupttäter standen in Nürnberg vor Gericht, als Xandry und viele seiner Funktionärskollegen darzutun versuchten, dass sie sich "ausser der nominellen Zugehörigkeit zur NSDAP nichts vorzuwerfen" hätten. Eine Verbindung zu den Spitzen des Regimes und dem eigenen Handeln oder Unterlassen konnte – durfte – es nicht geben.

1933: DFB unterstützt NS-Diktatur

Die Beschäftigung mit dem persönlichen Verhältnis Einzelner zur "Partei" lenkte davon ab, wie bedingungslos der Deutsche Fußball-Bund und die meisten seiner Funktionäre Hitler nach seiner Machtübernahme unterstützt hatten. Gewiss konnte Xandry kaum überblicken, wer von den zeitweilig 140 Mitarbeitern des an die Stelle des DFB tretenden Fachamts Fußball zu welchem Zeitpunkt Mitglied der NSDAP oder einer ihrer vielen Gliederungen geworden war.

Überdies schienen ausgerechnet diejenigen Funktionärskollegen, mit denen Xandry ständig zu tun hatte, seine Erinnerung an den Stand der Dinge um 1933 zu bestätigen: Felix Linnemann, seit 1925 DFB-Präsident, wurde tatsächlich erst 1937 in die NSDAP aufgenommen, und Pressewart Carl Koppehel trat, soweit ersichtlich, der Partei überhaupt nicht bei, obwohl er später regelmäßig Beiträge für das neue Presseorgan "NS.-Sport" schrieb und allmählich die Rolle des Chronisten für den DFB und das Fachamt übernahm.

Nicht zu übersehen – und dem NS-Regime weit dienlicher als die fast lückenlose Parteimitgliedschaft von Fußballfunktionären und Spielern – waren dagegen die ungehemmte propagandistische Unterstützung, die namhafte Funktionäre in der DFB-Zentrale ebenso wie in den alten Landesverbänden leisteten. Sie trugen den Feldzug mit, den die Nationalsozialisten gegen ihre erklärten Gegner führten und trafen damit nicht nur die in Arbeitersportvereinen organisierten Sozialdemokraten und Kommunisten, sondern auch jüdische Fußballvereinsmitglieder, die schnell zu spüren bekamen, dass das Parteiprogramm der Nationalsozialisten in allen Punkten ernst gemeint und ihre Hasstiraden keine leeren Drohungen waren.

In der Zentrale entwarf Linnemann eine Mustersatzung für die Vereine, die eine "rassenmäßige Überprüfung" für neue Mitglieder und den Ausschluss alter Mitglieder ermöglichte. Gleichzeitig rief in Bayern Paul Flierl, bisher Präsident des Süddeutschen Fußball- und Leichtathletikverbandes, jetzt designierter Führer des "Gaus XVI", dazu auf, die deutsche Turn- und Sportbewegung "in die Hände unseres Führers Adolf Hitler zu legen", während im Rheinland Wilhelm Erbach, der langjährige Jugendwart des DFB, ausführte, dass das Ziel aller Erziehung durch Leibesübungen "der deutsche Mensch" sei, der einen "bestimmten völkischen Stil" verkörpere: "Dankbarkeit und Freude über den Umschwung" verpflichteten "einen jeden […] zum Einsatz aller Kräfte für den neuen Staat und für die Erziehung der deutschen Jugend, die das Werk des Führers zu erhalten und fortzuführen" habe.

Die enge Verbindung der Fußballer zur Hitlerjugend setzte eine vom DFB in Auftrag gegebene Veröffentlichung "Kampf und Sieg, Junge!" buchstäblich ins Bild: Ernst Fuhry, der Gestalter des DFB-Emblems aus den 1930er-Jahren, stellte dort heroisierende Sportlerfotos und Aufnahmen uniformierter Hitlerjugend nebeneinander.

Vor diesem Hintergrund beschloss eine ordentliche Mitgliederversammlung des DFB im April 1936, den Bund mit seinen innerdeutschen Aufgaben in den Reichsbund als Fachamt Fußball aufgehen zu lassen", beanspruchte allerdings weiterhin, "die Belange des Fußballsports gegenüber dem Ausland" zu vertreten, eine Einschränkung, die mit Kriegsbeginn zusehends an Bedeutung verlor und die vollständige Liquidation des DFB im Jahr 1940 zu einer Formsache machte.

Internationaler Spielbetrieb war nur noch im deutschen Machtbereich oder gegen Mannschaften neutraler Staaten – Schweden und die Schweiz – möglich. Das vorerst letzte Länderspiel wurde im November 1942 gegen eine slowakische Mannschaft ausgetragen, die nur einen Vasallenstaat des "Dritten Reiches" repräsentieren konnte. Bei alledem wissen wir über das Innenleben des "Fachamts Fußball" wenig: Seine Akten gelten als vernichtet, und der Einblick, den Pressechef Koppehel im Sommer 1939 den Lesern der "NS.-Sport" gewährte, fiel allzu oberflächlich aus.

Arbeitersportler und Juden keine Kameraden mehr

Als das NS-Regime im März und April 1933 die Arbeitersportbewegung verbot, ihre Vereine zerschlug und deren Mitglieder verhaftete, weigerte sich der DFB, diese aufzunehmen. Er begründete dies mit einem alten Ressentiment: Diese hätten bislang nur parteipolitische und klassenkämpferische Ziele betrieben und "den DFB bekämpft", weil dieser "den Sport und die Jugenderziehung im Sinne der Erstarkung der Gemeinschaft von Volk und Staat löse."

Gleichzeitig mussten jüdische Sportler erfahren, dass ihre eigenen politischen Präferenzen für die Spitzen der deutschen Sportorganisationen völlig unerheblich waren, als der Deutsche Fußball-Bund und der Deutsche Sportbund gemeinsam verkündeten, dass sie "Angehörige der jüdischen Rasse […] in führenden Stellungen der Verbandsinstanzen und der Vereine für nicht tragbar" hielten. Beide Organisationen forderten die Vereinsvorstände auf, "die entsprechenden Maßnahmen, soweit diese nicht bereits getroffen sind, zu veranlassen."

Damit war die Verantwortung für alles Weitere gleichsam wegdelegiert, sodass die Spitzenfunktionäre des DFB den Leidtragenden dieser Aufforderung nicht in die Augen sehen mussten: In seinen Spitzengremien gab es keine Juden, und was auf Verbands- und Vereinsebene geschah, ließ sich aus der Ferne beobachten oder ignorieren: Ohne Bedauern wird DFB-Präsident Linnemann zur Kenntnis genommen haben, dass der jüdische Gründer des kicker, Walter Bensemann, mit dem er über die Frage einer Professionalisierung des Fußballsports gestritten hatte, bereits in die Schweiz ausgewandert war. Kurt Landauer, dem jüdischen Präsidenten des FC Bayern, gelang die Flucht in die Schweiz noch 1939 buchstäblich in letzter Minute.

Die Fußballer unter den rund 40.000 jüdischen Sportlern in Deutschland mussten derweil erleben, dass ihre bisherigen "Sportkameraden" einer besonderen Aufforderung durch den DFB nicht immer bedurften: So hatte der Karlsruher Fußball-Verein schon vorher entschieden, seine jüdischen Mitglieder auszuschließen. Damit traf er auch die Nationalspieler Julius Hirsch und Gottfried Fuchs, die 1912 gemeinsam mit Josef Glaser, Spieler des Freiburger SC und späterer DFB-Funktionär, zum deutschen olympischen Aufgebot in Stockholm gehört und gegen eine Auswahl des Russischen Reiches das Rekordergebnis 16:0 erzielt hatten.

Julius Hirsch wird 1943 ermordet

Selten waren Gegenbeispiele wie die Altonaer Spielvereinigung in Hamburg, die für einen Ausschluss ihres jüdischen, als Spieler und Schiedsrichter beliebten Mitglieds Martin Stock keinen Anlass sah.

In der Folge entgingen weder Hirsch, der seinem Vereinsausschluss durch Austritt zuvorkam, noch Fuchs, noch Stock der Verdrängung aus ihren Berufen und ihrem gewohnten Umfeld. Fuchs floh 1937; Martin Stock, 1941 aus Hamburg deportiert, überlebte als einer von wenigen das Ghetto Minsk, während Julius Hirsch seiner Verschleppung entgehen konnte, bis er im März 1943 schließlich doch nach Auschwitz deportiert und dort gleich nach der Ankunft ermordet wurde.

Im Juni desselben Jahres äußerte Otto Nerz, der frühere Reichstrainer für Fußball, im Berliner 12-Uhr-Blatt die "Hoffnung, dass mit dem Siegeszug des Dritten Reiches auch Europas Sport […] judenfrei" werden würde.

Dem Fachamt Fußball blieb derweil noch rund ein Jahr, um sportliche Normalität zu simulieren: Als im Juni 1944 das Endspiel um die deutsche Meisterschaft in Berlin mit einem 4:0-Sieg des Dresdner Sport-Clubs über den LSV Hamburg endete, waren die Alliierten in der Normandie gelandet, und in Weißrussland zertrümmerte die Rote Armee die deutsche Heeresgruppe Mitte. Das Ende des Dritten Reiches war damit nur noch eine Frage von Monaten.

Nachspiel

Die Nachkriegsorganisatoren des Fußballs beschrieben den Neubeginn in Deutschland als mühselig und langwierig. Dabei gestatteten die Alliierten die Wiederaufnahme sportlicher Aktivitäten meist zügig, wenn auch unter Auflagen. Schon im Sommer 1949 kam ein neuer Vorstand des DFB zusammen, der vorerst in Stuttgart Platz fand. Eingerahmt von Koppehel und Xandry in ihren alten Funktionen, zeugt seine Zusammensetzung von dem Versuch, Personal zu präsentieren, das nach Lage der Dinge vorzeigbar schien.

Dabei enthob der Tod des früheren Präsidenten Linnemann den DFB bis auf Weiteres der größten Erklärungsnöte. Neben dessen Nachfolger Peter Josef "Peco" Bauwens, der politisches Kapital aus der Ehe mit einer Jüdin zu schlagen wusste, die sich das Leben genommen hatte, saß als zweiter Vorstandsvorsitzender der in der katholischen Sportbewegung verwurzelte Bayer Hans Huber, der vor 1945 in keiner Verbindung zum DFB gestanden hatte; ferner Martin Stock, der den Spielausschuss führen sollte und als Verfolgter des NS-Regimes über jeden Zweifel erhaben war, sowie im Rechtsausschuss der aus Metz gebürtige Jurist Heino Eckert, der immerhin für sich in Anspruch nehmen konnte, der NSDAP nie beigetreten zu sein.

Bei allen anderen, die sich der Partei früher oder später angeschlossen hatten, musste es genügen, dass sie sich darüber hinaus im NS-Regime nicht erkennbar exponiert hatten. Im Presseausschuss mag der Journalist Hans Körfer, der 1941 lieber in einer Propaganda- als in einer Kraftfahrkompanie der Wehrmacht tätig sein wollte, froh gewesen sein, dass ihm dieser Wunsch verwehrt geblieben war.

Ob und wie diese Männer bei ihren Zusammenkünften über die Jahre der NS-Diktatur und den Krieg sprachen, wissen wir nicht. Für die an Jahrestagen fälligen Reminiszenzen war der Deutsche Fußball-Bund als Organisation auf seinen Chronisten Koppehel angewiesen, der in dieser Funktion keinerlei Konkurrenz hatte und nicht willens oder in der Lage war, anders als ausweichend über die politische Vergangenheit des DFB zu schreiben.

Dass dies eine Leerstelle ließ, wurde durchaus bemerkt: "Die Jahre, in denen der Deutsche Fußball-Bund als 'Fachamt Fußball' firmieren mußte und die Nachkriegsjahre, 1945 bis 1949, in denen er durch Anordnung der Besatzungsbehörden verboten blieb" seien "in den 55 Jahren der DFB-Geschichte enthalten", notierte man beim Südbadischen Fußball-Verband in Freiburg.

Diese knappe Klarstellung geht vermutlich auf Josef Glaser zurück, der die Gründungszeit des DFB miterlebt hatte und inzwischen dessen Ehrenmitglied war. Als Landesverbandsvorsitzender redigierte er aber auch Verbandsmitteilungen, und ihm mag schneller als anderen aufgegangen sein, dass einer seiner Mannschaftskameraden von 1912, Julius Hirsch, ermordet worden war und ein anderer, Gottfried Fuchs, aus Deutschland hatte fliehen müssen.

60 Jahre nach Fuchs' Rekordeinsatz gegen die russische Mannschaft in Stockholm konnte Bundestrainer Sepp Herberger einen neuen DFB-Vorstand nicht dazu bewegen, den früheren Nationalspieler zu den Olympischen Spielen in München einzuladen. Die Forderung nach einer eingehenderen Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte musste von außen kommen.

In historischer Verantwortung

Wie viele Institutionen, Behörden und Unternehmen in der BRD stellte sich auch der Fußball erst spät seiner Rolle und Verantwortung in der NS-Zeit. 2001 beauftragte der DFB eine umfassende, wissenschaftlich unabhängige Studie seiner Verbandsgeschichte, die 2005 unter dem Titel "Fußball unterm Hakenkreuz" erschien. Im selben Jahr stiftete er den Julius Hirsch Preis in Erinnerung an den 1943 in Auschwitz ermordeten Nationalspieler und an die zahlreichen, vor allem jüdischen Opfer unter seinen Spielern, Trainern und Vereinsmitgliedern, die nach dem April 1933 ausgeschlossen wurden. Heute ist die aktive historische Erinnerungs- und Bildungsarbeit ein wichtiger Baustein des gesellschaftspolitischen Engagements. Jährlich besuchen Nachwuchs-Nationalmannschaften die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel. Mit erinnerungspolitischen Gedenkveranstaltungen, Ausstellungen, Publikationen und Workshops – zuletzt auch im Rahmen der UEFA EURO 2024 – setzt der DFB gemeinsam mit seinen Stiftungen und dem Deutschen Fußballmuseum ein Zeichen des "Nie Wieder!", insbesondere mit dem Julius-Hirsch-Preis.

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