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7.11.2023

Antreiber für den Neuanfang – Uli Borowka zu Gast in der JVA Vechta

Auf Initiative der DFB-Stiftung SeppHerberger sprach Uli Borowka vor Inhaftierten der JVA Vechta. Der einstigeNationalspieler berichtete von seiner Karriere, seinen Erfolgen, Niederlagenund seiner Alkoholsucht. Vor allem erklärte der 61-Jährige, wie wichtig es ist,nach Rückschlägen wieder aufzustehen.

Der 2. November 2023 war ein windiger Tag in Nordwestdeutschland. Orkantief Emir schickte heftige Böen über das Land. Für Uli Borowka war der 2. November ein guter Tag. Als er am Nachmittag in Vechta seinen Wagen bestieg, um zu weiteren Terminen in Bremen aufzubrechen, tat er das mit der Überzeugung, wichtige Impulse geliefert und Menschen erreicht zuhaben. Borowka, einst Nationalspieler und 388-maliger Bundesliga-Akteur, hatte auf Einladung der DFB-Stiftung Sepp Herberger im Rahmen der Resozialisierungsinitiative „Anstoß für ein neues Leben“ in der JVA Vechta vor 22 Inhaftierten und geladenen Gästen einen Vortrag gehalten. Der 61-Jährige hatte über das Hinfallen und Aufstehen, über Willensstärke, Profifußball, Erfolge, Niederlagen und Alkoholsucht gesprochen - oder ganz kurz gefasst: über sein Leben.

„Es war ein absolut bewegender Vortrag“, fand JVA-Mitarbeiterin Melanie Janßen, die in Vechta im Sozialdienst und als Entlassungskoordinatorin tätig ist. Um den Inhaftierten der einzigen Jungtäter-Anstalt des Bundeslands Niedersachen den namhaften Gast vorzustellen, hatte sie den Tag mit einem Vortrag begonnen. „Ich wollte den Zuhörern erstmal erklären, wer da bei uns ist“, so Janßen. Schließlich sitzen in Vechta insgesamt 330 junge Männer ein, verurteilt für Straftaten, die sie im Alter von 21 bis 24 Jahren verübt haben. Sie erzählte, wie aus dem gelernten Maschinenschlosser in den 1980er-Jahren eine feste Größe bei Borussia Mönchengladbach und später beim SV Werder Bremen wurde, wie der Abwehrspieler mit Bremen 1988 und 1993 Deutscher Meister und 1991 und 1994 DFB-Pokalsieger wurde, wie er 1992 sogar den Europapokal der Pokalsieger gewann.

Botschaft überwindet Altersgrenzen

Dann war Borowka dran „und es wurde immer wieder mucksmäuschenstill“, wie Janßen berichtet. Es sei erstaunlich gewesen, wie die Zuhörer an den Lippen jenes Mannes gehangen hätten, der doch mehr als 30 Jahre älter ist, aus einer anderen Generation stammt. Seine Botschaft, dass es sich lohnt zu kämpfen und nach Rückschlägen nicht aufzugeben, sei ganz offensichtlich angekommen. Das lag an dem Protagonisten, der so fesselnd erzählte, das lag aber auch an der gemeinsamen Plattform. „Der Fußball kann Brücken bauen. Das merkt man, weil man eine Sprache spricht“, meint Borowka. „Die Jungs spielen alle Fußball. Hinter Gittern ist Sport beinahe lebenswichtig, um Aggressionen abzubauen und Ablenkung zu finden. Da ist es natürlich ein Vorteil, dass ich Nationalspieler war und erzählen kann, dass ich mal Maradonas Trikot bekommen habe“, schmunzelt er.

Das nahm auch Nico Kempf, stellvertretender Geschäftsführer der DFB-Stiftung Sepp Herberger, so wahr. „Der Vortrag von Uli Borowka war ehrlich, authentisch und inspirierend. Seine Worte haben die Zuhörer mit Sicherheit zum Nachdenken angeregt“, sagt Kempf. Genau darum geht es. Die Selbstreflexion und schließlich der feste Wille, der Zeit hinter Gittern ein Leben ohne Straftaten folgen zu lassen, sind der unverzichtbare erste Schritt zu einem erfolgreichen Neuanfang. Daher unterstützt die Stiftung auf den Spuren des Namensgebers, dem unvergessenen Weltmeister-Trainer Sepp Herberger, mit Partnern wie der Bundesagentur für Arbeit, den Justizministerien der Bundesländer, den DFB-Landesverbänden und Profiklubs Projekte in Justizvollzugsanstalten. Auch in Vechta gibt es ein Team im Rahmen der Initiative „Anstoß für ein neues Leben“, das Inhaftierte gezielt auf die Zeit nach der Entlassung vorbereitet. Dort kümmert sich Melanie Janßen zusammen mit ihrem Kollegen Andre Werneke um diese Mannschaft.

Uli Borowka zu Gast in der JVA Vechta

Fehler eingestehen und nicht andere verantwortlich machen

Herbergers Credo „Wer oben ist, darf die unten nicht vergessen“ sei noch immer aktuell, findet auch Borowka. „Er war ein Pionier, indem er damals schon in diese Richtung agiert, sich für Resozialisierung eingesetzt und über den Tellerrand hinausgedacht hat“, betont der langjährige Profi. Auch ihm mache es Freude, bei Zuhörern hinter Gittern Impulse zu setzen. Zudem könne er deren Schicksal nachempfingen. „Ich muss mich nicht verstellen, ich kann einfach aus meinen Erfahrungen berichten. Ich habe schließlich auch einiges auf dem Kerbholz“, blickt er auf seinen Lebensweg zurück, zu dem auch Zeiten gehörten, die von seiner Alkoholabhängigkeit und Abwegen geprägt waren.

„Ich sage den Jungs immer, dass es Situationen geben kann, die aus dem Ruder laufen. Man darf sich davon aber nicht das ganze Leben versauen lassen“, machte Borowka mit Blick auf den Neuanfang klar. Zwischenzeitlich war auch er ganz unten angekommen. Diese Worte können seine Zuhörer nur allzu gut nachvollziehen. Auch ihr Weg führte schließlich nicht immer geradeaus, nicht selten in Suchterkrankungen und irgendwann hinter Gitter. „Der Punkt ist doch: du musst einen ‚Arsch in der Hose haben´, dir Fehler eingestehen und nicht andere dafür verantwortlich machen. Jeder hat die Chance, es besser zu machen“, unterstrich Borowka, der seit rund zwölf Jahren mit seiner Botschaft in Gefängnissen, Schulen, Firmen und Kliniken unterwegs ist. „Ein Leben ohne Sucht bietet außerdem eine ganz andere Qualität und ist erstrebenswert“, so der 61-Jährige weiter.

Überzeugt von harter Arbeit

Und noch etwas kann Borowka voller Überzeugung berichten: harte Arbeit und Willensstärke zahlen sich aus. „Ich war vom Talent immer im hinteren Drittel der Jugendteams und bin doch Nationalspieler geworden und ich bin nach meinem Alkoholentzug nie rückfällig geworden“, erklärte er. Letzteres sei aber nicht ausschlaggebend, denn jeder Mensch gehe seinen eigenen Weg.

„Er hat mit seinen Worten einen Nerv getroffen. Das hat man auch an den vielen Rückfragen von den Zuhörern gesehen“, betonte die JVA-Bedienstete Janßen. Impulse, die zum Nachdenken anregen, seien unverzichtbar und fänden oftmals eher Gehör, wenn sie Menschen gegeben würden ,die selbst mal die Schattenseiten des Lebens kennengelernt hätten.

Ein Neuanfang nach der Haft kann gelingen – diese Botschaft wurde durch den Vortrag von Uli Borowka nochmals verstärkt. Ein weiterer Anstoß für ein neues Leben.

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