28.10.2022

Anstoß für ein neues Leben – Wertebildung als Schlüssel für eine bessere Zukunft

Anstoß für ein neues Leben – Wertebildung als Schlüssel für eine bessere Zukunft

Die von der DFB-Stiftung Sepp Herberger und dem DFB ausgerichtete Fortbildung zum Thema Wertebildung im Fußball für Jugendstrafgefangene für in Justizvollzugsanstalten tätige Sportbeamte bot frische Impulse und die Chance für Reflexion. Fußball als Mittel zur Persönlichkeitsentwicklung – an den drei Tagen in der Sportschule Duisburg-Wedau wurde klar, welche besondere Rolle die Beamten in ihrem beruflichen Alltag einnehmen, um einen Beitrag zur Resozialisierung zu leisten. Ex-Bundesligatrainer Frank Schaefer gab dabei Tipps aus seiner Karriere.

Frank Schäfer spricht vor Publikum
Der frühere Bundesligatrainer Frank Schaefer sprach vor den Teilnehmern der Fortbildung.

So ruhig und gelassen er sie auch sprach, waren es doch große Worte, die Frank Schaefer vor den Teilnehmern der Fortbildung wählte: „Wenn ihr nicht wärt, hätten die Spieler und Spielerinnen vielleicht niemanden. Ihr habt extreme Einflussmöglichkeiten“, fasste der einstige Bundesliga-Coach des 1. FC Köln die Rolle seiner Zuhörer zusammen. Vor dem heutigen Direktor des Nachwuchsleistungszentrums von Fortuna Düsseldorf saßen 20 Männer, die in allen Teilen der Republik als Bedienstete im Strafvollzug tätig sind und im Rahmen ihrer Arbeit die Inhaftierten bei sportlichen Aktivitäten anleiten. Die Welt hinter Gittern ist Schaefer zwar fremd, doch der 58-Jährige weiß nach vielen Jahren im Nachwuchs- und Profifußball um die große Bedeutung von Trainern für ihre Schützlinge. Coaches leben Werte vor und vermitteln diese – egal, wie unterschiedlich die Rahmenbedingungen auch sein mögen.

Das war die Botschaft, die Schaefer mitgebracht hatte und gleichsam war es der perfekte Brückenschlag zum Fokus der dreitätigen auf dem Projekt „TeamUp!“ der Bertelsmann Stiftung basierenden Fortbildung von DFB und Sepp-Herberger-Stiftung in der Duisburger Sportschule. Die Initiative fand mit den Mitarbeitern der Justizvollzugsanstalten eine besondere Zielgruppe. „Die Teilnehmer arbeiten schließlich mit einer speziellen Klientel“, so Wolfgang Möbius, DFB-Teamleiter Trainer-Aus-, Fort- und Weiterbildung Landesverbände. Doch auch in Haftanstalten eröffne der Fußball eine gute Möglichkeit, Werte zu bilden. Fairness, Disziplin, Zusammenhalt, Respekt, eine gute Kommunikation – all diese Aspekte, die in zwischenmenschlichen Beziehungen, in Familie, Freundeskreis, Schule und Beruf so wichtig sind, spielen schließlich auch auf dem Fußballplatz eine tragende Rolle. „Und die entscheidende Person bei der Bildung und Erarbeitung dieser Werte ist der Trainer oder eben der Sportbeamte in der JVA“, stellt Möbius klar, der gemeinsam mit DFB-Referent Alexander Schunke die Veranstaltung leitete.

Möbius, Schäfer und Schunke halten Trikot hoch
Wolfgang Möbius, Frank Schaefer und Alexander Schunke (v.l.n.r) bei der Fortbildung zum Thema Wertebildung im Fußball.

Sport als soziales Trainingsfeld

Das meint auch Olaf Fiedler. Er lobte die Themensetzung des Workshops. „Dass wir über Wertebildung sprechen, ist genau richtig. Denn exakt darum geht es in der Arbeit mit dem Inhaftierten. Das ist unser Alltag“, sagt er. Der 56-Jährige ist als Leiter Sportbereich in der JVA Iserlohn tätig und kümmert sich unter anderem seit 2018 um das „Anstoß-Team“, dem dort nach Jugendstrafrecht verurteilte 16- bis 20-jährige Mädchen und Frauen angehören. Diese Mannschaft ist Teil der bundesweit von der DFB-Stiftung Sepp Herberger initiierten Initiative „Anstoß für ein neues Leben“. Ziel ist die Unterstützung der Resozialisierung jugendlicher Strafgefangener durch eine aktive Vorbereitung auf die Zeit nach der Haftentlassung. Dabei arbeitet die Stiftung Hand in Hand mit der Bundesagentur für Arbeit, den Justizministerien der teilnehmenden Bundesländer, den DFB-Landesverbänden und weiteren Unterstützern.

„Bei all unseren Sportangeboten steht nicht die Leistung im Vordergrund, sondern die Bildung von Werten. Sport dient hier in erster Linie als soziales Trainingsfeld“, erklärt er. Fiedler bringt die übergeordnete Zielsetzung auf einen simplen Nenner: „Es geht nicht um Sieg und Niederlage. Es geht darum, wie man gewinnt oder verliert.“ Wichtig seien der respektvolle Umgang mit Mitspielern und Gegnern, aber eben auch Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit. Letztlich lasse sich das im Sport Erlernte auf den Umgang mit Kollegen, Vorgesetzten, Freunden und Familienmitgliedern übertragen. Der Fußball soll den Inhaftierten also etwas von jenem Rüstzeug mitgeben, das sie für einen erfolgreichen Neustart außerhalb der Gefängnismauern benötigen.

Wichtige Vorbilder

Fiedler und seine Berufskollegen sind dabei Schlüsselfiguren, wie andere Trainer auch. „Du kannst nicht nicht Vorbild sein“, beschreibt Möbius ihre Rolle. Daher ging es in Gruppenarbeit, Vorträgen und Praxiseinheiten darum, die Teilnehmer mit frischen Ideen und Impulsen zu versorgen, ihnen Zeit für Reflexion, Austausch und gemeinsamen Sport einzuräumen.

Ingo Böttcher, der in der JVA Neustrelitz beschäftigt ist, bringt schon einiges an Erfahrung mit. Aber eben auch ganz konkrete Fragen. Wie er am besten mit Undiszipliniertheiten auf dem Platz umgehen solle, will er von Frank Schaefer wissen. Dieser empfiehlt klares Handeln und einen direkten Austausch. Aber auch die genaue Einschätzung von Situation und Akteur, um die richtige Bühne für Ermahnung oder Konsequenz zu finden. Grundsätzlich müsse man sich Konflikten stellen, sie aktiv angehen, das habe ihn die Erfahrung gelehrt, sagt der langjährige Trainer.

Spielszene in der Halle
Im Mittelpunkt der Veranstaltung: Wertebildende Trainingseinheiten.

Umgang miteinander ist entscheidend

Michael Wehmann gefiel der Austausch mit dem Mann aus dem Profisport und dessen Schilderungen von einer Karriere, in der Schaefer unter anderem mit den Nationalspielern Lukas Podolski und Jonas Hector zusammengearbeitet hat. Für Wehmann, der seit 2012 in der JA Hameln das Anstoß-Team betreut, sind der Umgang mit dem Team und die Trainingsarbeit also Alltag. Er weiß, wie er seiner Schützlinge motivieren kann, wie das Pochen auf die Einhaltung von Regeln und die Bewältigung von Konflikten funktioniert. „Ich habe sicherlich einige Erfahrung. Das heißt aber nicht automatisch, dass man alles richtig macht“, betont er. Umso wichtiger sei es, abseits des gewohnten Arbeitsumfelds Input zu erhalten und Menschen zu treffen, die mit ähnlichen beruflichen Herausforderungen konfrontiert sind, macht er deutlich.

„Das ist genau der Grund, warum wir diese Fortbildung ausrichten. Wir wollen den Sportbeamten Raum und Zeit für neue Impulse verschaffen, weil wir wissen, wie wichtig ihre Arbeit als Baustein für eine erfolgreiche Resozialisierung der Inhaftierten ist“, erklärt Nico Kempf, der stellvertretende Geschäftsführer der DFB-Stiftung Sepp Herberger.

Die Äußerungen Frank Schaefers dürften dabei Rückenwind für das weitere Engagement der Vollzugsbeamten sein. „Bei der Wertebildung ist nichts entscheidender als der Umgang miteinander. Und nie kann man mehr erreichen, als in den Momenten, in denen der Zuhörer glaubt, Zuwendung und Respekt am wenigsten verdient zu haben“, so Schaefer. Die schwierige Arbeit im Strafvollzug, zur der das tägliche Miteinander mit Menschen gehöre, die viele Rückschläge erlitten hätten, sei also zweifelsfrei von ganz besonderer Bedeutung.

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